Das Wichtigste in Kürze:
- Über 200 Tage haben die Parteien verhandelt, bis sie zu einem Kompromiss fanden. Jetzt aber steht die neue niederländische Regierung.
- Daran beteiligt sind vier Parteien: Alle politisieren im rechten Spektrum. Und doch sind sie sehr verschieden.
- Skeptiker befürchten deshalb, dass dieses Bündnis nicht lange halten werde.
Eine Liebesheirat ist es nicht. Vielmehr wird von einer «Muss-Heirat» gesprochen. Zwar haben sich die vier Parteien jetzt gefunden. Aber die Ansichten der rechtsliberalen VVD vom alten und neuen Premierminister Mark Rutte, der liberalen Demokraten D66, der Christdemokraten sowie Christenunion sind doch sehr unterschiedlich.
Insbesondere die Christenunion ist in weiten Kreisen verpönt, weil sie so ultra-konservativ ist und beispielsweise selbst die Schwulen-Ehe ablehnt. Ein Affront in den fortschrittlichen Niederlanden. Spötter bezeichnen das neue Viererbündnis denn auch als «Rechts mit der Bibel».
Bis sich die vier aber gefunden haben, war viel Überredungskunst von Vermittlern nötig. Zu Beginn weigerte sich ein Spitzenpolitiker gar, mit der Christenunion an den gleichen Verhandlungstisch zu sitzen.
Zankapfel Sterbehilfe
Bevor also überhaupt ernsthafte Koalitionsverhandlungen geführt werden konnten, waren mehrere Tage nötig, um Vertrauen untereinander zu schaffen. Das Misstrauen und die grosse Diskrepanz sind denn auch der Hauptgrund dafür, dass seit dem 2. Weltkrieg noch nie so lange um eine neue Koalition gerungen wurde.
Das heute den Fraktionen präsentierte Regierungspapier enthält viel Bewährtes. Aber die kleine Christenunion konnte sich doch bei einem wichtigen gesellschaftlichen Thema durchsetzen: Demnach wird kein neues Gesetz kommen, das den Wunsch von Seniorinnen und Senioren erfüllt, die ihr Leben als vollendet betrachten und den Freitod wählen möchten.
Im Gegensatz zur Schweiz ist Hilfe bei Selbsttötung in den Niederlanden verboten. Die Christenunion hat dieser sehr breit getragenen Initiative bis auf Weiteres einen Riegel geschoben.
Koalition steht auf wackligen Füssen
In den nächsten Tagen beugen sich nun die Fraktionen über das neue Regierungsprogramm. Gibt es keine allzu grossen Einwände, nimmt das neue Kabinett noch vor Ende des Monats seine Arbeit auf. Ob die Zweckehe tatsächlich halten wird, muss aber abgewartet werden. Mit nur einem Sitz über der Mehrheit steht sie auf sehr wackligen Füssen.
Spätestens, wenn das geplante Road-Pricing für Lastwagen eingeführt werden soll, wird sich zeigen, ob die vier zueinander halten und sich gegen die starke niederländische Lastwagen-Lobby durchsetzen können. Bekommt aber nur eine Partei kalte Füsse, würde dies das vorzeitige Ende der Regierung bedeuten.