Ein unscheinbares Fussballfeld in Burundis grösster Stadt Bujumbura. Idyllisch gelegen, direkt am Tanganjikasee, auf der anderen Seite des Gewässers die grünen Hügel des Kongo. Hier trainiert der FC Haleluya, der Fussballclub des abtretenden burundischen Präsidenten Pierre Nkurunziza. Dreimal die Woche steht der Präsident höchstpersönlich mit der Amateurmannschaft auf dem Fussballplatz. Gespielt wird auch in Coronazeiten. Als eines der wenigen Länder der Welt hat Burundi den Fussball nie unterbrochen.
An jenem Tag ist der Präsident allerdings nicht zum Training erschienen. Sonst würde ein Dutzend schwerbewaffneter Polizisten den Sportplatz bewachen. Und der Spieler würde es kaum wagen mit der Journalistin über Präsident Nkurunziza zu sprechen. Selbst so will der Fussballer lieber anonym bleiben. Auch wenn der Mann im schwarz-gelben Trikot nur Lobeshymnen für seinen mächtigen Teamkollegen übrig hat: «Er ist ein guter Spieler. Wenn er mal aus Versehen gefoult wird, kann er das einstecken. Wir haben jeweils eine Sekunde Angst, aber dann steht er wieder auf.»
Ganz so problemlos, wie der Haleluya-Spieler sagt, ist das allerdings nicht. Denn den Präsidenten zu foulen kann in Burundi ein Nachspiel haben. Vor zwei Jahren gingen während eines Matches gegnerische Spieler Pierre Nkurunziza hart an. Danach wurden die zuständigen Beamten der Region ins Gefängnis geworfen. Der Vorwurf: Das Fussballspiel sei ein Komplott gegen den Präsidenten gewesen.
Gewinnen um jeden Preis
«Unser Präsident ist jemand, der siegen will. Darum trainiert er so oft», meint der Haleluya-Spieler. Gewinnen um jeden Preis. Das wollte Pierre Nkurunziza auch in der Politik, bei den letzten Wahlen 2015. Die Wahlen, die in Burundi die Zäsur bedeuten und das Land ins Chaos stürzten. Laut Verfassung hätte der ehemalige Rebellenführer Pierre Nkurunziza damals nach zwei Amtszeiten abtreten müssen, doch er weigerte sich. Es gab grosse Proteste vonseiten der Bevölkerung und Generäle starteten einen Putschversuch. Der Putsch scheiterte – Pierre Nkurunziza wurde zum dritten Mal Präsident.
Den Preis zahlte die Bevölkerung: Über 1000 Tote, mehr als 400'000 Personen mussten fliehen, der ICC untersucht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das ohnehin schon bitterarme Land stürzte in eine Rezession und kam wirtschaftlich praktisch zum Stillstand. In der Folge machte Pierre Nkurunziza das ganze Land mundtot. Er liess die unabhängigen Medien im Land schliessen, auch internationale wie die BBC oder Voice of America dürfen nicht mehr aus Burundi berichten. Im letzten Jahr warf Burundi dann auch das UNO-Büro für Menschenrechte aus dem Land. Kritik an der Regierung ist seit 2015 in Burundi nicht mehr möglich.
In einem einfachen Quartier in Kirundo, im Norden Burundis, sitzt ein 14-jähriges Mädchen in ihrer karg eingerichteten Stube. Auch sie behält ihren Namen lieber für sich, schon einmal ist sie ungewollt ins Visier der Regierung geraten. «Wir wurden beschuldigt das Porträt des Präsidenten im Schulbuch bemalt zu haben», sagt das schüchterne Mädchen fast flüsternd.
Dem Staatschef eine Clownsnase zu malen oder einen lustigen Schnauz, das wird in Burundi nicht geduldet. Das zurückhaltende Mädchen und zwei weitere 14-jährige Schulkameradinnen wurden im letzten Jahr deswegen zwei Wochen ins Gefängnis gesteckt, obwohl sie beteuerten, nicht für die Kritzeleien verantwortlich zu sein.
In Burundi teilen sich mehrere Schüler die Bücher und sie werden stets an jüngere Schulkinder weitergegeben. Herauszufinden wer das Präsidentenporträt verunstaltet hat, ist also praktisch unmöglich. Dennoch liess die Regierung in den letzten Jahren mehrere Hundert Kinder im Zusammenhang mit Kritzeleien auf dem Präsidentenporträt von der Schule suspendieren. «Es wird alles politisiert, sogar die Kinder. Dabei haben wir kein Problem mit dem Präsidenten. Wir sind einfach nicht in der Regierungspartei», so die Mutter des Mädchens. Doch das könne schon reichen.
Willkürliche Repression
Die Gründe warum eine Familie oder Person ins Visier der Regierung gerät, sind oft nicht nachvollziehbar. Es ist reine Willkür. Aber sie wirkt: Das Regime gibt jeder Bürgerin und jedem Bürger zu verstehen: Die Regierung überwacht und kontrolliert alle und alles. So müssen Burunderinnen und Burunder auch regelmässig Geld oder Essen an die Regierungspartei abtreten. «Cotisations» – Beiträge – wird das genannt: «Oft verlangen sie Bohnen, auch von Leuten wie mir, die nicht in der Landwirtschaft tätig sind. Ich muss dann die Bohnen abgeben, die ich gekauft habe. Ich gebe es, weil mir mein Leben lieb ist.»
Per «cotisation» wollte Pierre Nkurunziza auch die Wahlen von morgen finanzieren. Die internationale Gemeinschaft stoppte die Gelder an Burundi nach der umstrittenen Wiederwahl des Präsidenten. Kurzerhand entschied die Regierung, dass nun das Volk die Ausgaben für die Wahlen decken soll. Der Lehrerin wurde während zwei Jahren Monat für Monat Geld direkt vom Lohn abgezogen.
Gewalt im Wahlkampf
«Es wird einen Wandel geben in Burundi. Bei den kommenden Wahlen kann uns niemand zwingen, die Regierungspartei zu wählen», sagt die Mittvierzigerin mit Entschlossenheit. Das sind Worte, die in Burundi kaum jemand in ein Mikrofon zu sagen wagt. Aber die offensichtlich viele denken.
Die Regierungspartei Conseil national pour la défense de la démocratie-Forces de défense de la démocratie (CNDD-FDD) hat mit Évariste Ndayishimiye, einen der Generäle aus dem Führungszirkel für die Nachfolge von Pierre Nkurunziza vorgesehen. Doch sein Hauptrivale, Agathon Rwasa vom Congrès national pour la liberté (CNL), hat offensichtlich grosse Unterstützung in der Bevölkerung.
Doch genau weiss das niemand. Parteifarbe zu bekennen kann in Burundi lebensgefährlich sein. Immer wieder verschwinden Oppositionelle – oder werden umgebracht. Allein während des Wahlkampfes wurden mindestens 145 CNL-Mitglieder verhaftet, die Leiche eines Bezirksvorsitzenden wurde im Fluss gefunden. Verantwortlich gemacht für diese Gräueltaten werden Mitglieder des Jugendflügels der Regierungspartei, die sogenannten Imbonerakure.
Die Angst, dass es auch bei diesen Wahlen, wie bei den letzten 2015, zu grossen Auseinandersetzungen kommen könnte, steigt. Vor gut zehn Tagen kamen bei einem Granatenangriff auf eine von Imbonerakure frequentierte Bar zwei Personen ums Leben.
Corona wählt mit
Während die meisten Regierungen der Welt ihre Bürger darum bitten, Abstandsregeln einzuhalten, lassen die Massenwahlkampfveranstaltungen in Burundi auf eine andere Strategie schliessen. Offiziell hat Burundi lediglich 42 Coronavirus-Fälle. Ärzte im Land behaupten allerdings es seien weit mehr. Stattdessen liess Burundi vier WHO-Experten aus dem Land schmeissen. Einmal mehr will sich das Regime Nkurunziza nicht hereinreden lassen.
Was aus dem abtretenden Präsidenten wird, ist noch unklar. Das Parlament hat bereits Anfang Jahr beschlossen, dass der «ewige oberste Führer», wie Pierre Nkurunziza genannt wird, einen goldenen Fallschirm in Form von 530’000 US-Dollar, eine Luxusvilla sowie ein Lohn auf Lebzeiten erhalten soll.