Die politischen Parteien in Israel geben in den letzten Tagen vor den Parlamentswahlen noch einmal alles, um so viele Wählerinnen und Wähler wie möglich zu mobilisieren.
Vor allem für Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geht es um viel. Er kämpft an zwei Fronten gleichzeitig: In zwei Wochen muss er sich vor Gericht verantworten. Die Anklage lautet auf Bestechung, Betrug und Untreue. Und heute kämpft er um sein politisches Überleben.
Netanjahu ist seit 2009 im Amt. Damit er Ministerpräsident bleiben kann, muss er mit seiner Likud-Partei und dem rechts-religiösen Lager mindestens 61 der 120 Sitze in der Knesset holen. Diese Hürde zu überwinden, ist dem 70-Jährigen bei den letzten beiden Wahlen allerdings nicht gelungen.
An der Ausgangslage hat sich seither wenig geändert. Neu ist einzig der Friedensplan von US-Präsident Donald Trump dazugekommen, den er zusammen mit Netanjahu Ende Januar der Weltöffentlichkeit präsentiert hat. Der Plan sieht unter anderem vor, dass die jüdischen Siedlungen im Westjordanland offiziell Israel zugeschlagen werden sollen. Mit einer solchen Annexion hat auch Netanjahu im Wahlkampf geworben.
Netanjahus Herausforderer heisst auch bei dieser dritten Wahl Benny Gantz . Mit seinem Mitte-Bündnis Blau-Weiss kann er vor allem bei den urbanen Wählern punkten. Der 60-Jährige war früher Generalstabschef der israelischen Armee. Auch er hat angekündigt, den Trump-Plan zur Lösung des Nahostkonflikts umsetzen zu wollen.
Gantz inszeniert sich im Wahlkampf in erster Linie als Alternative zu Netanjahu, obwohl sein Blau-Weiss-Bündnis und Likud inhaltlich keine grossen Unterschiede aufweisen. Gantz hat es kategorisch ausgeschlossen, mit dem angeklagten Ministerpräsidenten Netanjahu zusammenzuarbeiten. Das hat bereits eine Regierungsbildung nach den letzten Wahlen verunmöglicht. Und könnte auch nach diesen Wahlen zum Stolperstein werden.
Genug vom Dauerwahlkampf
Aktuell prognostizieren die Umfragen erneut ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Netanjahu und Gantz. Entscheidend für einen allfälligen Wahlsieg ist, welches Lager seine Anhänger stärker mobilisieren kann – und wie viele arabische Israeli an die Urne gehen.
Weil es in Israel noch nie dreimal Wahlen direkt nacheinander gab, weiss niemand, wie sich die Bürgerinnen und Bürger verhalten werden. «Niemand kann vorhersagen, wie die Israeli abstimmen werden», meint Yohanan Plesner, Präsident des Israel Democracy Institute.
Viele Israeli haben auch genug vom Dauerwahlkampf. Umfragen zeigen, dass das Interesse an den Wahlen im Vergleich zum September 2019 zurückgegangen ist. «Es geht nur noch um Köpfe, niemand spricht mehr darüber, wie man das Land vorwärtsbringen kann», sagt etwa die 32-jährige Miri Maoz Ovadia, die in einer orthodoxen Siedlung im Westjordanland lebt.
Allzu optimistisch, dass das Land nach diesen Wahlen eine Regierung haben wird, sind die Israeli nicht. Rund ein Drittel geht laut dem Israel Democracy Institute davon aus, dass sie in einigen Monaten ein viertes Mal an die Wahlurnen gerufen werden.