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Wahlen in Taiwan «Kein Land will, dass sein Territorium gespalten wird»

Taiwans amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen steht vor der Wiederwahl. Die 63-Jährige scheut keine Konfrontation mit der Zentralregierung in Peking.

In einer Woche sind in Taiwan Wahlen. Darüber berichtet auch das chinesische Staatsfernsehen CCTV. Sofort fällt auf, dass die Flaggen auf einer Wahlkampfveranstaltung verpixelt sind. Es ist die rot-blau-weisse Landesfahne der «Republik China», wie sich Taiwan offiziell nennt.

Auch Begriffe wie «Präsidentenwahl» kommen im Fernsehbeitrag nicht vor – jeder Anschein, dass es sich bei Taiwan um einen eigenständigen Staat handelt, wird vermieden.

Kein Land will, dass sein Territorium gespalten wird.
Autor: Bao Chengke Taiwan-Experte in China

Nicht ignorieren kann der Fernsehbeitrag dagegen den Vorsprung von Präsidentin Tsai Ing-wen in den Wahlprognosen.

Tsai Ing-Wen bietet China die Stirn

Für die chinesische Regierung dürfte dies unerfreulich sein, fährt Tsai doch einen china-kritischen Kurs. Kong Xiaohui, Professorin für Taiwan-Studien an der chinesischen Zhejiang Universität, befürchtet denn auch Schlimmes: «Wenn Tsai weitere vier Jahre im Amt bleibt, dann könnte das auf die Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstrasse einen sehr negativen Einfluss haben.»

Die Republik China (Taiwan)

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  • Ausgerufen wird die Republik China (wie sich Taiwan heute noch offiziell nennt) 1912.
  • Bis 1949 umfasst das Staatsgebiet ganz China, nach der Niederlage im Chinesischen Bürgerkrieg zieht sich die Regierung der Republik China auf die Insel Taiwan zurück – auf dem Festland entsteht die Volksrepublik China.
  • Chiang Kai-shek, der Gegenspieler Mao Zedongs im chinesischen Bürgerkrieg, lässt sich zum Präsidenten wählen. Peking verlangt den Ausschluss des taiwanesischen UNO-Vertreters.
  • 1954: Taiwan und die USA schliessen ein Schutz- und Verteidigungsabkommen.
  • 1971: Kommunistische Volksrepublik China wird anstelle der Republik China (Taiwan) Mitglied der UNO.
  • 1975: Chiang Kai-shek stirbt.
  • 1988: Das Verhältnis zwischen der Volksrepublik China und Taiwan entspannt sich: Der Handel wird legalisiert und der Reiseverkehr erleichtert.
  • 2010: Peking und Taipeh schliessen Handelspakt (ECFA): Aufhebung der Einfuhrzölle für zahlreiche Produkte, taiwanesischen Firmen bekommen Zugang zum Festland-Markt.
  • 2016: Amtsantritt der neuen Staatspräsidentin Taiwans Tsai Ing-wen. Der Unabhängigkeitskurs der neuen Präsidentin führt in der Folge zu Spannungen mit der Volksrepublik China.
  • 2019: Chinas Präsident Xi Jinping bekräftigt den Anspruch seines Landes auf die Eingliederung Taiwans und schliesst den Einsatz von Gewalt dabei nicht aus.

Tsai gehört zum Lager der DPP, der Demokratischen Fortschrittspartei. Jene Partei, die die Eigenständigkeit Taiwans betont und sich von China distanziert: «Auf Reden oder in Interviews, auch gegenüber internationalen Medien, hat sie das chinesische Festland immer wieder heftig kritisiert.» Sie habe auch die Situation in Hongkong ausgenutzt und Sachen wie «heute Hongkong, morgen Taiwan» gesagt.

Nahaufnahme Frau.
Legende: Die amtierende taiwanesische Präsidentin Tsai Ing-wen geht auf Konfrontationskurs mit China. Reuters

Für China ist deshalb Han Kuo-yu, der Kandidat der Oppositionspartei Kuomintang, der bevorzugte Kandidat. Seine Partei unterstützt den für China so wichtigen «Konsens von 1992» – unter diesem berufen sich beide Seiten auf ein China, sie dürfen dieses eine China aber unterschiedlich interpretieren. Von einem solchen Konsens aber will Taiwans amtierende Präsidentin Tsai nichts wissen.

China behält sich Einsatz von Gewalt vor

An einer Wiedervereinigung führe kein Weg vorbei, sagt Bao Chengke. Bao ist Taiwan-Experte an der East China Normal University in Shanghai. Er warnt: «Wenn Tsai denkt, sie könne den Weg in die Unabhängigkeit einschlagen, dann wird dies katastrophale Konsequenzen für die Beziehungen der beiden Seiten haben. Die Chinesen können dies nicht akzeptieren. Kein Land will, dass sein Territorium gespalten wird.»

Die chinesische Regierung behält sich ausdrücklich den Einsatz von Gewalt vor, sollte Taiwan offiziell die Unabhängigkeit erklären oder eine Vereinigung auf lange Zeit hinausschieben.

Zu Kompromissen bereit?

Dabei müsse es gar nicht so weit kommen, sagt Bao. China sei durchaus zu Kompromissen bereit: «Unsere Vorstellung einer Wiedervereinigung ist sehr breit. Taiwan müsste nicht unbedingt – wie eine chinesische Stadt – komplett unter der Kontrolle der Zentralregierung sein.»

Das heisst, sie könnte einen gewissen Grad an Freiheit behalten.» Ähnlich der Formel «ein Land, zwei Systeme», wie sie bereits in Hongkong existiert. Tsai aber machte erst kürzlich erneut deutlich, dass ihre Regierung nichts von einer solchen Formel hält.

Von den monatelangen Protesten in Hongkong hat Tsai in den Umfragen stark profitiert. Auch in Taiwan fürchten sich die Menschen zunehmend vor Pekings Einfluss. Und so sieht es so aus, als würde Tsai Ing-wen am nächsten Samstag ein zweites Mal die Wahlen gewinnen.

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