Seit Tagen brennt der Wald in der radioaktiven Sperrzone rund um den Unglücksreaktor Tschernobyl. Wie schlimm diese Feuer wirklich sind und was sie anrichten – darüber gehen die Meinungen auseinander. SRF-Korrespondent David Nauer kennt beide Seiten.
SRF News: Haben die Brände Einfluss auf die radioaktive Strahlung?
David Nauer: Es gibt Meldungen, dass sich die Strahlung südlich des Reaktors kurzzeitig leicht erhöht habe. Allerdings seien keine Grenzwerte überschritten worden. Grundsätzlich sind bei Tschernobyl die Böden an bestimmten Stellen verseucht. Wenn es dort brennt, kann die Hitze des Feuers diese Strahlung aufwirbeln. Daraus kann durchaus eine Gefahr entstehen. Im Moment scheint die Lage unter Kontrolle. Die Feuer sollen weitgehend eingedämmt worden sein und nur noch glimmen.
Die Umweltorganisation Greenpeace stützt sich auf Satellitenbilder und schreibt, die Flammen seien nur eineinhalb Kilometer vom havarierten Atomkraftwerk entfernt. Besteht die Gefahr, dass die Ruine Feuer fängt?
Gesichert ist, dass dieses Feuer dem zerstörten Reaktor wirklich nahe gekommen ist . Das haben verschiedene Quellen, nicht nur Umweltschützer, aus der Ukraine bestätigt. Es gibt auch Videos mit sehr viel Rauch, die die Reaktoranlage zeigen. Fotos zeigen weiter einen Feuerschein am Horizont ganz in der Nähe des Reaktors.
Die ukrainische Regierung stellt es so dar, als sei nur ein kleineres Gebiet abgebrannt.
Doch der zerstörte Reaktor hat seit Kurzem eine neue Schutzhülle, genannt Sarkophag. Vor rund einem Jahr war ich vor Ort und habe gesehen, dass das Gebiet unmittelbar um den Reaktor unbewaldet ist. Eine Bedrohung für den Reaktor selbst stellt das Feuer nicht direkt dar. Aber selbstverständlich ist es gefährlich.
Die ukrainischen Behörden widersprechen der Darstellung von Greenpeace. Beschönigen sie das Ausmass der Waldbrände?
Die Darstellung der ukrainischen Regierung wird namentlich von Umweltschützern in Zweifel gezogen. So meldet Greenpeace eine viel grössere Fläche des Brandes.
Wenn die Radioaktivitätswerte stark ansteigen würden, könnte das die Regierung nicht vertuschen.
Die ukrainische Regierung stellt es so dar, als sei nur ein kleineres Gebiet abgebrannt. Das passt leider zu der Tendenz von Regierungen im Osten Europas, dass bei Katastrophen das Ausmass heruntergespielt wird. Bei der Reaktorkatastrophe von 1986 war es bekanntlich auch so.
Grossbrand in der Sperrzone
Aber die Ukraine ist nicht die Sowjetunion. Es gibt freie Medien, und es gibt eine politische Opposition. Kiew ist nicht so weit entfernt von Tschernobyl, und viele Menschen haben einen privaten Geigerzähler. Sie können die Strahlung selbst messen. Wenn die Radioaktivitätswerte stark ansteigen würden, könnte das die Regierung nicht vertuschen.
Weiss man bereits etwas über die Brandursache?
Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Es gibt einen oder sogar mehrere Verdächtige. Einem Mann wird vorgeworfen, er habe getrocknetes Gras angezündet. Unklar ist aber seine Motivation.
Das Abbrennen von Gras ist allerdings in der Ukraine und anderswo eine unselige Tradition, um sich das Mähen zu ersparen. Dieses Abbrennen von Gras führt regelmässig zu immensen Umweltschäden und Waldbränden.
Das Gespräch führte Claudia Weber.