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Wie China auf andere zeigt Peking kontert Kritik mit «Whataboutism»

«Die USA spielen gerne den Oberlehrer, wenn es darum geht, die Menschenrechtslage in anderen Staaten zu kritisieren. In der Realität aber steht es um die Menschenrechte in den USA selbst ganz schlecht», sagte Wang Wenbin, Sprecher des chinesischen Aussenministeriums Ende September und drehte den Spiess damit um.

Das sei Teil des Narratives der chinesischen Regierung, sagt Adam Ni, Sprecher des China Policy Center im australischen Canberra. Die Botschaft sei sehr klar: «Chinas politisches System unter der Führung der Chinesischen Kommunistischen Partei ist der westlichen Alternative, dem System der Demokratie, überlegen.» So zeigten die chinesischen Medien nur zu gerne die Schwächen demokratischer Staaten.

Was bedeutet Whataboutism?

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Whataboutism bezeichnet eine Technik der Manipulation, durch die von unliebsamer Kritik abgelenkt wird, indem auf ähnliche oder andere wirkliche oder vermeintliche Missstände auf der Seite des Kritikers hingewiesen wird.

«Wir haben das bei der Viruskrise gesehen, als sich die Staatsmedien sehr stark auf die USA konzentrierten, als diese mit der Bewältigung von Covid überfordert waren, wir haben das bei der chinesischen Berichterstattung über «Black Lives Matter» gesehen, wo die USA des Rassismus und der Ungleichheit beschuldigt wurden.»

Vergleiche, die hinken

Der bekannte chinesische Menschenrechtsaktivist und Anwalt Teng Biao ärgert sich regelmässig über solche Vergleiche Chinas mit den USA. Teng Biao wurde wegen seines Einsatzes für die Menschenrechte in China verfolgt und unterdrückt. Er sass sogar in Isolationshaft. Heute lebt er in den USA im Exil. Er kennt also beide Systeme.

Ein normales Land kann nicht so vorgehen, wie China dies tut.
Autor: Teng Biao Menschenrechtsanwalt

«Klar, in den USA gibt es viele Probleme. Es gibt vieles zu kritisieren, etwa bei der Bewältigung der Viruskrise. Doch der Vergleich mit China hinkt, denn ein normales Land kann nicht so vorgehen, wie China dies tut. Es kann nicht einfach die Grundrechte der Menschen und ihre Freiheiten so unterdrücken.» Vieles lasse sich eben nicht vergleichen, sagt Teng Biao. Zum Beispiel, wenn die Chinesen sagen würden, dass es auch in den USA Korruption geben würde.

Whataboutism mit System

«Das chinesische System kennt keine demokratischen Wahlen, keine Gewaltentrennung, keine freien Medien. Die Gesellschaft kann die Politik nicht kontrollieren. Die Korruption in China ist systembedingt. Während es in den USA die Ausnahme ist.» Doch dieser Whataboutism, also das Zeigen auf andere, um von den eigenen Problemen abzulenken, sei in China leider effektiv.

Einmal im Jahr gibt die chinesische Regierung zudem einen gedruckten Bericht zu den Menschenrechtsverletzungen der USA heraus. Die Themenpalette ist breit. Behandelt werden etwa Polizeigewalt, Rassismus oder auch Kinderarmut. Probleme also, die real existieren. Es gehe der chinesischen Regierung aber nicht wirklich um die Menschenrechte dort, sagt Adam Ni, sondern:

China sieht das als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten.
Autor: Adam Ni China-Experte

«Sie will, dass andere Staaten damit aufhören, die Menschenrechte in China zu kritisieren. Insbesondere die USA. China sieht das als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten. Die Kritik und das Vorgehen der USA gegen China etwa in Xinjiang wird von Peking nicht als Menschenrechtsthema gesehen, sondern als Machtkampf zwischen zwei Grossmächten.»

Chinas Regierung sei überzeugt, sagt Adam Ni, dass es den USA nicht etwa um Menschenrechte gehe, sondern vor allem darum, Chinas Einfluss einzuschränken.

Rendez-vous vom 23.10.2020, 12.30 Uhr

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