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Vorschläge zur Rettung der Eurozone
Aus Tagesschau vom 31.05.2017.
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Stärkung des Euro Wie wird der Euro krisenfest?

Die EU-Kommission hat ihre Reformideen für die Wirtschafts- und Währungsunion präsentiert. Fünf Fragen und Antworten.

Warum braucht man überhaupt eine Reform? Die Währungsunion – angelegt mit dem Maastricht-Vertrag von 1992 – hatte von Anfang an ein Problem, das nach der grossen Finanzmarktkrise massiv zutage trat: Man führte eine gemeinsame Währung ein, aber die Finanz- und Wirtschaftspolitik blieb in der Hand der Einzelstaaten. Vereinbarte Schulden- und Defizitregeln waren extrem schwer durchzusetzen. Und echte Gemeinschaftsinstrumente wie Eurobonds (Anleihen) blieben verpönt. In der Krise drifteten die derzeit 19 Staaten der Eurozone auseinander.

Wieso sind die grossen Unterschiede zwischen den Euro-Staaten ein Problem? EU-Kommissar Pierre Moscovici nennt krasse Beispiele: Italien ist doppelt so hoch verschuldet wie Deutschland. Deutschland hat einen doppelt so hohen Leistungsbilanzüberschuss wie der Durchschnitt der Eurozone und eine halb so hohe Arbeitslosigkeit.

«Das Problem der Eurozone ist heute, dass sie nicht für Konvergenz ihrer Mitgliedstaaten sorgt», sagt Moscovici. Gemeint ist damit die wirtschaftliche Angleichung. Die Folge ist eine Spaltung zwischen dem wohlhabenden Norden, der sich über Rettungsaktionen für Schuldenstaaten aufregt, und dem Süden, der sich vom Wachstum abgeschnitten fühlt. Eine dauerhafte Zweiteilung des Währungsraums aber wäre für Moscovici «das Ende des Euro», mit dem derzeit 340 Millionen Europäer zahlen.

Was will die EU-Kommission? Sie trägt eher vorsichtig eine Sammlung von Ideen vor, die in zwei Phasen angepackt werden sollen: bis 2019 die Umsetzung vorhandener Konzepte, danach weiterreichende Vorschläge. In der ersten Phase soll es um die weitere Stärkung der Banken und Kapitalmärkte gehen. Konkret wird zum Beispiel eine «finanzielle Letztsicherung» des Bankenabwicklungsfonds und eine europäische Einlagensicherung gefordert.

Die von Moscovici geforderte «Konvergenz» soll durch bessere gemeinsame Standards für Wirtschafts- und Sozialsysteme erreicht werden. Instrument dafür ist das «Europäische Semester», ein längst eingeführter komplexer Prüfzyklus der EU-Kommission für die Mitgliedsländer. Zudem sollen feste Gesprächskanäle zum Europäischen Parlament die demokratische Kontrolle der Eurozone verbessern.

Wie geht es im nächsten Jahrzehnt weiter? Für die zweite Phase von 2020 bis 2025 hat die EU-Kommission einen kontroversen Vorschlag in petto: eine «europäische sichere Anlage» beschrieben als «Finanzinstrument für die gemeinsame Emission von Schuldtiteln». Mit Eurobonds und einer gemeinsamen Haftung für Schulden soll das aber nichts zu tun haben.

Für das kommende Jahrzehnt nimmt sich die Kommission weitere institutionelle Reformen vor. So soll ein ständiger hauptamtlicher Vorsitzender der Euro-Gruppe kommen und aus der Euro-Gruppe soll ein offizieller EU-Rat werden. Später sollen auch eine Art Finanzministerium und ein Europäischer Währungsfonds ins Auge gefasst. Das Papier ist hierzu aber vage und zurückhaltend.

Welche Chancen haben die Vorschläge der EU-Kommission? Reformen sind wahrscheinlich – die Frage ist, wie schnell sie kommen und wie weit sie gehen. Für tiefgreifende Neuerungen wie einen echten EU-Finanzminister mit eigenem Haushalt müssten wohl die EU-Verträge geändert werden, was als extrem schwierig und langwierig gilt. Für solche weiterreichenden Ideen setzt sich aber der frisch gewählte französische Präsident Emmanuel Macron ein. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss Vertragsänderungen nicht aus.

Einschätzung von EU-Korrespondent Oliver Washington

Einschätzung von EU-Korrespondent Oliver Washington
Die EU-Kommission präsentiert ehrgeizige Vorschläge zur Stärkung der Währungsunion. Ausgangspunkt ist die Analyse, dass die Währungsunion reformiert werden muss, ansonsten droht der Euro von den Menschen in Frage gestellt zu werden. Das Problem ist, dass sich ein Euro-Land in der Krise nur beschränkt selber aus dem Sumpf ziehen kann. Es fehlen den Ländern die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten. Deshalb brauchen sie Hilfe von aussen.

Hier schlägt die Kommission nun die Einrichtung eines europäischen Finanzministers vor, auch europäisches Schatzamt genannt. Welche Kompetenzen und Funktionen ein solcher Finanzminister hätte, muss politisch nun geklärt werden, aber entscheidend ist, dass dieser über Geld verfügen würde, um Krisenländer unterstützen zu können.

Der zweite wichtige Vorschlag betrifft die Einführung von gemeinsamen europäischen Schuldpapieren. Es geht dabei nicht um die Vergemeinschaftung von Schulden, vielmehr um ein neues Instrument, um Banken in Krisenländern sichere, neue Anlagemöglichkeiten zu ermöglichen. Offen ist die Frage, was die EU mit den so aufgenommenen Geldern macht und ob diese auch dem Finanzminister zur Verfügung stehen.

Die Vorschläge der EU-Kommission gehen sicher in die richtige Richtung. Und die Chancen, dass diese realisiert werden, sind mit Emmanuel Macron als neuem französischen Präsidenten sicher grösser als auch schon.

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