Die Ausweglosigkeit in ihrer Heimat bringt Menschen täglich dazu zu fliehen. Einige von ihnen versuchen, in Europa ein besseres Leben zu finden. Der Weg dorthin führt zumeist in einem überfüllten Flüchtlingsboot über das Mittelmeer.
Mit Abstand am meisten Bootsflüchtlinge kommen aus Syrien, doch viele Menschen kommen auch aus afrikanischen Staaten. Krieg, Verfolgung, Terror, Hungersnot, Arbeitslosigkeit – die Gründe für die Flucht sind vielfältig. Hier eine kurze Übersicht über die Lage in den jeweiligen Herkunftsländern.
Syrien
2014: 66'698 Bootsflüchtlinge
Derzeit kommt die Mehrheit der Menschen, die mit dem Boot in Richtung Europa flüchtet, aus Syrien. Sie fliehen vor dem seit über vier Jahren andauernden Bürgerkrieg im Land. Der Zivilbevölkerung droht Gefahr von mehreren Seiten. Sie werden sowohl vom Regime von Baschar al-Assad als auch von den Islamisten zermalmt. Die brutal operierende IS-Miliz kontrolliert etwa ein Drittel des Landes. Die UNO geht davon aus, dass rund 7,6 Millionen Syrer auf der Flucht sind. Die Zahl derjenigen, welche die Überfahrt mit dem Boot wagen, beträgt damit weniger als 1 Prozent. Die grosse Mehrheit sucht in den unmittelbaren Nachbarländern Schutz.
Eritrea
2014: 34'323 Bootsflüchtlinge
Eine weitere grosse Gruppe von Bootsflüchtlingen stellen die Eritreer. In ihrem Land herrscht unter Präsident Isaias Afewerki einer der brutalsten Militärdiktaturen der Welt. Demokratische Grundrechte werden brutal beschnitten. Grund für die riskante Flucht ist jedoch zumeist der obligatorische Militärdienst. Er dauert laut Verfassung sowohl für Männer als auch für Frauen 18 Monate, die Dienstzeit wird jedoch immer wieder verlängert. Wehrdienstverweigerung wird mit bis zu 3 Jahren Haft bestraft. Folter und unmenschliche Behandlung in teilweise geheimen Gefängnissen sind keine Seltenheit.
Afghanistan
2014: 12'687 Bootsflüchtlinge
Das Land liefert den Einwohnern genügend Gründe zu fliehen. Die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert sich zunehmend, die Kampfhandlungen nehmen zu. Für Gewalt sorgen gleich mehrere Akteure, darunter die Taliban, lokale Kriegsherren, Al Kaida, aber auch die lokale Polizei, die Menschenrechtsverstösse begeht. Vermehrt kommt es zu Anschlägen im Land. Am stärksten betroffen sind Frauen und Kinder, die zwischen die Fronten geraten. Noch nie zuvor forderten militärische Gefechte so viele zivile Opfer wie 2014.
Mali
2014: 9789 Bootsflüchtlinge
Einst ein Land mit freien Wahlen und einer wachsenden Wirtschaft, war Mali 2012 nach einem Militärsturz ins Chaos gestürzt. Islamisten und Tuareg-Rebellen errichteten im Norden des Landes ein Regime auf Basis der Scharia und vertrieben Hunderttausende. Die Lage ist immer noch extrem angespannt. Die Extremisten sind weiterhin in der Region aktiv und verüben regelmässig Angriffe. Neben der Angst vor Gewalt treiben immer wieder Ernährungskrisen die Menschen in die Flucht.
Gambia
2014: 8642 Bootsflüchtlinge
Das Land gilt als politisch relativ stabil, wird aber von Präsident Yahya Jammeh mit grosser Härte kontrolliert. Das Klima der Angst im Land ist gross. Immer wieder kommt es zu willkürlichen Verhaftungen. Kritiker und Oppositionelle werden gezielt verfolgt, Homosexuelle ins Gefängnis geworfen. Folter wird von der UNO als «regelmässige Praxis» des gambischen Nachrichtendienstes beschrieben. Zudem ist die Wirtschaftslage prekär. Junge Menschen haben kaum Aussichten, einmal auf eigenen Füssen zu stehen. Rund die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.
Nigeria
2014: 8490 Bootsflüchtlinge
Unter den Bootsflüchtlingen hat bisweilen auch die Zahl der Menschen aus Nigeria zugenommen. Arbeitslosigkeit, Armut und der brutale Feldzug der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram treiben immer mehr Menschen in die Flucht. Die sunnitischen Extremisten kämpfen im Nordosten Nigerias für die Errichtung eines sogenannten Gottesstaats. Immer wieder werden Anschläge auf die Zivilbevölkerung verübt. Wer sich Boko Haram nicht fügen will, wird gefoltert oder getötet. Rund 1,5 Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Somalia
2014: 7440 Bootsflüchtlinge
Dass immer wieder Leute aus dem gescheiterten Staat flüchten, ist nicht neu. Seit dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 hat das Land praktisch keinen Frieden mehr gesehen. Zunächst bekämpften sich Warlords, dann machten sich islamistische Strömungen breit. Die Al-Shabaab-Miliz, welche die Scharia einführen will, sorgt seit Jahren für Angst und Schrecken. Zudem ist die Versorgung mit Nahrungsmittel in Somalia unzureichend. Vor allem im Süden leiden die Menschen immer wieder unter grosser Dürre.
Senegal
2014: 4769 Bootsflüchtlinge
Nicht unbedingt zu Afrikas Krisenstaaten zählt Senegal. Politisch gilt das Land als vergleichsweise stabil. Vereinzelt werden auch hier von Verhaftungen Oppositioneller und Folter berichtet. Doch tiefschürfender scheint das enorme Bevölkerungswachstum zu sein. Die zahlreichen jungen Menschen haben kaum berufliche Perspektiven. War einmal der Fischfang eine der wichtigsten Einkommensquellen, sehen sich die Einwohner zunehmend leergefischten Beständen gegenüber – mitunter verursacht von Kuttern der EU-Staaten.
Bevorzugt: Die zentrale Mittelmeer-Route
Die Herkunftsländer der Bootsflüchtlinge unterscheiden sich je nach Route. Die bedeutendste Flüchtlingsroute führt von Nordafrika – in der Regel von Libyen – nach Italien oder Malta. Allein in Italien kamen im Jahr 2014 mehr als 170'000 Bootsflüchtlinge an. Auch die rund 700 Menschen, die bei einer der grössten Tragödien in der Nacht zum 19. April 2015 vor der libyschen Küste ertranken, nahmen diesen Weg.
(Quellen: Frontex/Schweizerische Flüchtlingshilfe/Vereinte Nationen/IOM)