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Zunahme von Bootsmigranten Grossbritannien und Frankreich beschuldigen sich gegenseitig

Grossbritannien will, dass weniger Migranten über den Ärmelkanal kommen. Doch der Brexit erschwert die Verhandlungen.

Wegen der ruhigen See wagen immer mehr Migranten den Weg über den Ärmelkanal. Rund 700 Menschen waren es allein letzte Woche. Insgesamt sind in diesem Jahr bereits 4000 Migranten über den Ärmelkanal nach Grossbritannien gekommen. Das sind doppelt so viele wie im gesamten letzten Jahr.

Die Anzahl illegaler Überfahrten ist erschreckend hoch.
Autor: Priti Patel Innenministerin Grossbritannien

Nun will die britische Regierung verstärkt dagegen vorgehen. Die zuständige Innenministerin, Priti Patel, gilt als Hardlinerin, wenn es um Migration geht. Sie zieht etwa den Einsatz des Militärs in Erwägung, um die Boote zu stoppen: «Die Anzahl illegaler Überfahrten ist erschreckend hoch. Wir arbeiten daran, die Kriminellen zu verhaften und diese Seefahrten unattraktiv zu machen.»

Briten zeigen mit dem Finger nach Frankreich

Nach den Überfahrten gefragt, wählt der Premierminister, Boris Johnson, ebenfalls harte Worte: «Diese sind sehr schlecht, dumm, gefährlich und kriminell.» Als Ursache des Problems sehen die Briten mitunter die Franzosen, diese unternähmen zu wenig, um das Problem auf ihrer Seite des Ärmelkanals besser zu lösen. Die Tory-Abgeordnete von Dover, Natalie Elphicke, sagt etwa: «Die Franzosen haben Millionen von unseren Steuergeldern erhalten, um das Problem zu lösen. Ich will eine neue Vereinbarung. Die Franzosen müssen mehr Boote stoppen und die, die bei uns ankommen, sollen auch zurückgeschickt werden.»

Trotz eines Treffens im Juli, bei dem die zuständigen Minister Frankreichs und Grossbritanniens eine bessere Zusammenarbeit vereinbart hatten, sind die beiden Seiten aktuell nicht zufrieden und beschuldigen sich nun gegenseitig.

Franzosen fordern mehr Geld

Die französische Seite ist aber nicht untätig. Gemäss dem Innenministerium seien allein in den letzten drei Wochen 1000 Menschen an der Überfahrt gehindert worden. Doch für mehr Patrouillen reiche das Geld nicht. Der Vizekommandant von Calais, Laurent Martin de Morsestel erklärt: «Von den 70 Kilometern Küstenstreifen müssen wir 45 Kilometer kontrollieren, das macht pro Gendarm sechs Kilometer.»

Britische Grenzwächter bei einem Boot mit Flüchtlingen.
Legende: Grossbritannien ist in einer ungemütlichen Situation. Denn mit dem EU-Austritt im Dezember endet auch die Dublin-Verordnung, die es bisher erlaubte, Migranten zurückzuschicken. Keystone

Gemäss britischen Zeitungen fordern die Franzosen rund 35 Millionen Euro für besseres Durchgreifen, doch die britische Regierung weigert sich, einen Blankoscheck auszustellen.

Brexit erschwert Situation

Boris Johnsons Regierung ist in einer unbequemen Lage. Er war es, der im Brexit-Referendum 2016 versprochen hatte: «We take back control of our borders» – «Wir gewinnen die Kontrolle über unsere Grenzen zurück». Damit waren diese Überfahrten mitgemeint. Aber der EU-Austritt Grossbritanniens erschwert die konstruktive Zusammenarbeit mit EU-Ländern wie Frankreich.

Ausserdem endet mit dem EU-Austritt im Dezember 2020 die Dublin-Verordnung, die es den Briten bisher erlaubt hat, die Asylsuchenden, die via Frankreich kommen, zurückzuschicken. Eine neue Lösung, bzw. eine Verlängerung der Dublin-Verordnung, ist einer der Streitpunkte in den jetzigen Brexit-Verhandlungen.

SRF 4 News, 11.08.2020, 9.00 Uhr

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