Wenn der berühmteste Covid-Patient nach drei Tagen das Spital verlässt und kurz darauf verkündet, er fühle sich bestens, wirft das Fragen auf. Wenn er dann noch anfügt, keine Angst vor dem Virus zu haben, sind ihm heftige Kommentare sicher.
Appell von Biden
So richtete sich Herausforderer Joe Biden nach der Videobotschaft von Trump umgehend per Twitter an den amtierenden Präsidenten: Dieser solle auf die Wissenschaftler hören und das Maskentragen unterstützen.
Unvergleichlich schärfer drückte sich der Politik-Analyst von CNN, David Gergen aus: Trump sorge dafür, dass viele Menschen getötet würden. Er wache manchmal morgens auf und glaube, die Amerikaner befänden sich in der Gewalt eines Verrückten, so Gergen.
Lob gab es vom amerikanischen Schriftsteller und ehemaligen Reporter der «New York Times», Alex Berenson. Im konservativen TV-Sender Fox News sprach er vom Präsidialsten, was Trump je gesagt habe: Nämlich dass die Todesrate gering sei und alle durchdrehen würden. «Trump sagte, was gesagt werden muss: Wir müssen aufhören, derart Angst zu haben», so Berenson.
Fauci warnt: Rückfall möglich
Zu reden gab aber auch der wilde Medikamentenmix, der dem Präsidenten im Walter-Reed-Spital bei Washington verabreicht worden war. Der renommierte Epidemiologe Anthony Fauci sagte beim Sender CNN, er habe den starken Verdacht, dass Trump mit einem noch experimentellen Antikörper-Mittel behandelt worden sei. Trump sehe offensichtlich gut aus. Fauci warnt aber auch, dass es noch nicht ausgestanden sei: «Es ist kein Geheimnis, dass es nach fünf bis acht Tagen zu einem Rückfall kommen kann.»
Jonathan Reiner, Professor für Medizin an der George Washinton University, kritisiert, dass Trump wohl der einzige Patient auf dem ganzen Planeten sei, der eine solche spezifische Kombination von Medikamenten erhalten habe. Alle anderen Covid-Patientinnen und Patienten in den USA könnten nicht auf eine solche medizinische Behandlung zurückgreifen.
«Geste von Triumph und Trotz»
Auch in den deutschsprachigen Medien schaut man mit etwas ungläubigen Blick auf die Ereignisse der letzten Nacht. Die ganze Rückkehr von Trump ins Weisse Haus sei eine einzige Show gewesen, eine Geste des Triumphs und des Trotzes, so die Tamedia-Zeitungen.
Die Neue «Zürcher Zeitung» kommentiert: Trump soll als ein übermenschliches Wesen erscheinen, das trotz seinem Alter und seinem Übergewicht locker mit Covid-19 fertig wird. Solch angeberische Propaganda ist beschämend und unwürdig.
Der «Spiegel» hält fest: Für die Aussenwelt mag das, was derzeit in den USA passiert, bizarr oder kurios wirken, vielleicht auch lachhaft. Für viele Menschen, die in dem Land leben, ist die Lage aber schon lange nicht mehr lustig.