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Japaner sollen weniger arbeiten und mehr Geld ausgeben
Aus SRF 4 News aktuell vom 17.02.2017.
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Tod durch Überarbeitung Zwangsfrei für Japaner

  • Japanische Angestellte sollen künftig am letzten Freitag im Monat schon um 15 Uhr Feierabend machen.
  • Mit der Kampagne «Premium Friday» will die japanische Regierung das Problem der Überstunden lösen.
  • Rund ein Fünftel der Beschäftigten in Japan sind laut Regierung vom Tod durch Überarbeitung gefährdet.
  • Von der Kampagne erhofft sich die Regierung zudem, dass die Beschäftigen auch mehr Geld ausgeben.
  • Am Ende des Monats erhalten sie den Lohn.

Im Ländervergleich der OECD (siehe Grafik) liegen die Japaner bei den geleisteten Arbeitsstunden zwar im Mittelfeld, doch ist klar, dass viele japanische Angestellte auf ein Vielfaches davon kommen.

Legende:
Arbeitsstunden 2015 nach Ländern In ihrer Statistik untersucht die OECD die Arbeitsstunden in 40 Ländern. 2015 arbeiteten die Mexikaner am meisten und die Deutschen am wenigsten. Japan liegt im Mittelfeld und die Schweiz liegt im unteren Drittel. OECD

Einmal im Monat früher Feierabend

Die langen Arbeitstage stossen in der japanischen Bevölkerung auf immer mehr Kritik. Es gibt sogar einen eigenen Begriff für Tod durch Überarbeitung: «Karoshi». Rund ein Fünftel der japanischen Arbeitnehmer seien potentiell «Karoshi»-gefährdet, warnt eine Studie der Regierung.

Jetzt sollen die Japaner weniger arbeiten: Regierung und Wirtschaft haben das Programm «Premium Friday» lanciert. Darin propagieren sie, dass die Angestellten am letzten Freitag im Monat schon um 15 Uhr die Bürotische räumen und so ein längeres Wochenende geniessen sollen.

Zum Beispiel Kenji Ookoshi

Auch Kenji Ookoshi hat über Jahre hinweg Überstunden angehäuft. Der Informatiker wartete Computer-Programme für die japanischen Behörden und musste dazu nächtelang im Büro auf Stand-by sein.
«Wenn ich um zwei Uhr morgens mit der Arbeit fertig war, nahm ich ein Taxi nach Hause. Wenn ich bis um fünf, sechs Uhr in der früh arbeitete, schlief ich direkt im Büro, damit ich um neun Uhr wieder anfangen konnte.»
Sechs Jahre hat Ookoshi so gearbeitet. Weil die Arbeitskollegen auch so lange im Büro blieben, habe er die Überstunden gar nicht hinterfragt. Inzwischen führt der Vierzigjährige ein eigenes IT-Consulting-Unternehmen. Das wolle Ookoshi seinen Angestellten nicht antun.
«Seit fünf Jahren spricht man in Japan über die Work-Life-Balance. In einem Business-Seminar hörte ich zum ersten Mal davon und wollte das auch bei mir einführen.»
Dazu gehört zum Beispiel der wöchentliche «Kein-Überstunden-Tag», an dem die Arbeiter keine Überstunden schieben sollen.

Angestellte sollen mehr Geld ausgeben

Bei der Kampagne geht es der Regierung auch noch um etwas anderes. Am «Premium Friday» sollen die Angestellten nicht nur weniger lang arbeiten, sondern dadurch auch mehr Geld ausgeben. Hinter der Kampagne steht neben der Regierung deshalb auch Japans Wirtschaft.

Der Premium Friday ist am Ende des Monats, dann erhalten die Arbeitnehmer auch ihren Lohn. Wir wollen neben der Produktivität der Arbeiter auch den Konsum ankurbeln.
Autor: Masanao UedaDachverband der japanischen Wirtschaftsorganisationen

Aus diesem Grund wird die Kampagne auch von Restaurants, Warenhäusern und Reiseveranstaltern unterstützt.

Skepsis an Wirksamkeit der Kampagne

Ookoshi glaubt dagegen nicht, dass die neue Kampagne das Überstunden-Problem lösen wird.

Wenn man um 15 Uhr das Büro verlässt, hat man Zeit, früher mit dem Trinken zu beginnen. Aber das ist dann schon alles.
Autor: Kenji OokoshiInformatiker

Wenn schon, dann sollten die Arbeitnehmer einen ganzen Tag frei haben, findet Ookoshi, und nicht nur knapp einen halben. Seine Angestellten dürfen schon jetzt selbst entscheiden, wann sie früher nach Hause gehen wollen.

Tod durch Überarbeitung – «Karoshi»

In Japan gilt die 40-Stundenwoche. Überstunden sind fünf im Monat erlaubt. Doch ein Abkommen mit den Gewerkschaften erlaubt es Unternehmen, die Regeln des Arbeitsministeriums zu unterlaufen. Viele Angestellte arbeiten das Dreifache.
Seit 1980 steigt die Zahl der Todesfälle und Suizide wegen Überarbeitung. Es gibt sogar eine eigene Diagnose für Tod durch Überarbeitung: «Karoshi». Sie berechtigt Hinterbliebene, eine Rente zu beziehen. Das amtliche Kriterium für «Karoshi» liegt bei 100 Überstunden im Monat vor dem Tod, oder durchschnittlich 80 Überstunden während der letzten sechs Monate.
Im Oktober 2016 stellte die Regierung erstmals ein Weissbuch mit Daten zu Überstunden zusammen. 23 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass manche ihrer Mitarbeiter auf mehr als 80 Überstunden im Monat kommen.
Im Jahr zuvor gab es laut Arbeitsministerium 93 Todesfälle wegen Überarbeitung, Selbstmorde mit eingerechnet. Und das ist wohl nur die Spitze des Eisbergs: Im selben Zeitraum registrierte die Polizei rund 2160 Todesfälle.
Premierminister Shinzo Abe will die Überstunden verbindlich auf eine bestimmte Zahl begrenzen, doch die Wirtschaft hat sich bisher dagegen gesperrt.
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