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Zweifel an Kavanaugh Möglicherweise stolpert Trumps Wunschkandidat

Plötzlich wittern die US-Demokraten Morgenluft. Wegen der republikanischen Mehrheit im Senat sahen sie bisher so gut wie keine Möglichkeit, die Wahl eines weiteren konservativen Richters zu verhindern und damit voraussichtlich für lange Zeit eine rechte Mehrheit am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten zu etablieren.

Doch nun gerät die Kandidatur von Brett Kavanaugh, der von Präsident Donald Trump nominiert wurde, in letzter Minute ins Trudeln. Unerwartet trat eine Frau auf den Plan – die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford.

Sie wirft Kavanaugh einen Vergewaltigungsversuch vor mehr als drei Jahrzehnten vor. Ford sei bereit, unter Eid auszusagen, erklärt ihre Anwältin Debra Katz. Zwar habe ihre Mandantin lange gezögert, an die Öffentlichkeit zu treten. Doch nun sei sie bereit, alles zu tun, damit der Senat in Kenntnis der Sache entscheiden könne.

Professorin Ford, die an einer renommierten Universität in Kalifornien forscht, ist ernst zu nehmen. Auch die Republikaner können sie nicht einfach als unseriöse Lügnerin abtun.

Geht Präsident bereits auf Distanz?

Kavanaugh hingegen bestreitet sämtliche Anschuldigungen, zum wiederholten Mal. Auch er sei bereit, vor dem Justizausschuss des Senats auszusagen, falls erforderlich unter Eid.

Wenig erstaunlich, dass nun demokratische Senatoren fordern, die bereits für Donnerstag geplante Vorentscheidung über Kavanaugh abzusagen. Damit wäre auch der vorgesehene Termin für eine definitive Wahl durch den gesamten Senat kommende Woche nicht mehr einzuhalten.

Bemerkenswert ist, dass sogar Kellyanne Conway, Kommunikationsberaterin von Präsident Trump, verlangt, man solle Frau Ford nicht beleidigen und dürfe sie nicht ignorieren. Sie solle unter Eid angehört werden.

Ebenso Richterkandidat Kavanaugh. Ob Conway sich mit Trump abgesprochen hat, bevor sie sich so äusserte, ist unklar. Falls ja, würde es wohl bedeuten, dass der Präsident auf Distanz geht zu seinem Kandidaten.

Trumps Kommunikationsberaterin verlangt allerdings auch, zu berücksichtigen, dass sich Kavanaugh bisher in einer 32-stündigen Anhörung, an der ihm 1300 Fragen gestellt wurden, keine Blösse gab, und dass ihm viele Frauen ein mustergültiges Verhalten bescheinigten.

Trump bleibt Zeit für neuen Kandidaten

Tatsächlich beginnen aber nun erstmals gleich mehrere republikanische Senatoren an Kavanaughs Eignung zu zweifeln. Zumindest verlangen sie, Christine Blasey Ford anzuhören, selbst wenn das den Fahrplan durcheinanderbringt und der neue Richter nicht, wie vorgesehen, schon Anfang Oktober sein Amt übernehmen kann.

Weil die republikanische Senatsmehrheit hauchdünn ist, genügen zwei Abweichler, um Kavanaughs Wahl zu gefährden. Möglich, dass Kavanaugh über die mehr als dreissigjährige Geschichte – wenn es denn eine ist – stolpert. Dann kann aber Trump wiederum einen konservativen Kandidaten nominieren.

Selbst wenn bei den bevorstehenden Zwischenwahlen Anfang November die Demokraten die Mehrheit im Senat erobern sollten – was längst nicht sicher ist – heisst das noch nicht, dass sie die Ersatzwahl ans Oberste Gericht beeinflussen können. Denn der neugewählte Senat tritt erst im Januar zusammen.

Dem Präsidenten bleibt also noch etwas Zeit, um den freien Posten am Obersten Gerichtshof nach seinem Gusto zu besetzen und das einflussreiche Richtergremium auf Rechtskurs zu trimmen. Aber ganz so reibungslos wie gedacht, geht das nun nicht.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

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