Das Wichtigste in Kürze
- 78 Prozent der Stimmberechtigten wollen am 23. September für die Fair-Food-Initiative der Grünen stimmen.
- Die Meinungsbildung ist aber erst schwach ausgeprägt und die Argumente der Gegner sind noch wenig bekannt.
- Der Ausgang der Abstimmung bleibt damit offen: Ein Einbruch des Ja-Lagers ist möglich.
Lebensmittel von hoher Qualität, die ressourcenschonend, tierfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Das verlangt – in aller Kürze – die Fair-Food-Initiative der Grünen.
Satte 78 Prozent der Stimmberechtigten finden: Wenn die Initiative am 23. September zur Abstimmung kommt, wollen wir dieses Anliegen unterstützen. Die Zustimmungsrate bildet – in diesem frühen Stadium des Abstimmungskampfes – einen Rekordwert in dieser Legislatur.
Ist das Rennen damit bereits gelaufen? Mitnichten. Denn laut der ersten Umfrage von gfs.bern im Auftrag der SRG hat die Sache einen Haken: «Ein grosser Teil der Zustimmung ist tendenzieller Natur», sagt die Politologin Martina Mousson von gfs.bern.
Die Idee trifft den Zeitgeist.
Zudem haben die Gegner der Initiative ihren Abstimmungskampf erst gerade lanciert: «Nichts ist in Stein gemeisselt. Die Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegner fehlt noch», so Mousson.
Auch, weil die Schweiz noch etwas im «Ferienmodus» pendle. Die Kampagnen seien noch nicht wirklich angelaufen und in den Medien und der Öffentlichkeit rezipiert worden, so die Politikwissenschafterin.
Entscheidet am Ende das Portemonnaie?
Die Initianten führen jedoch zugkräftige Argumente ins Feld. Die Ablehnung der Massentierhaltung wirke bei vielen Befragten, erklärt Mousson. Mit «gutem Gewissen» zu essen sei populär bei den Konsumenten: «Man möchte sich mit fair hergestellten Lebensmitteln ernähren. Die Idee trifft den Zeitgeist.»
Die Gegner nehmen die beiden Agrar-Initiativen gemeinsam ins Visier. Die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände warnen vor einer «Sowjetisierung» der Landwirtschaft im Falle einer Annahme: Die Auswahl an Lebensmitteln werde sinken, dafür würden die Preise steigen.
Das Kosten-Argument könnte auch bei der Fair-Food-Initiative durchschlagende Wirkung entfalten, glaubt Mousson. Wenn Initiativen zu Verteuerungen führten, sei man letztlich doch nicht mehr so begeistert von der Idee: «Die Frage ist: Ist man bereit dafür zu zahlen?»
Vor allem Stimmberechtigte mit geringerem Haushaltseinkommen könnten diese Frage mit einem Nein beantworten. Sie stehen derzeit noch stramm hinter der Initiative. Zudem dürften sich bürgerliche Wähler im Abstimmungskampf den Parolen ihrer jeweiligen Parteien annähern, prognostiziert Mousson.
Laut den Initianten soll der Bund auch Anforderungen für Importprodukte festlegen. Das gegnerische Lager, zu dem auch der Bundesrat gehört, warnt bereits vor einem «Bürokratiemonster».
Und: «Bei beiden Agrar-Initiativen ist unklar, was eine Annahme für unsere Handelsbeziehungen mit dem Ausland bedeuten würde», sagt Mousson. Die Angst vor Konflikten mit Handelspartnern ist denn auch das stärkste Argument im Nein-Lager.
Absturzgefahr trotz grosser Sympathien
Moussons Fazit: «Die Erfahrung zeigt, dass noch viel möglich ist. Wir erwarten, dass der Ja-Anteil einbrechen wird.» Die Frage sei allerdings, wie stark dieser Einbruch sein werde.
Schon in der Vergangenheit habe es Initiativen gegeben, die ähnlich euphorisch gestartet seien und an der Urne nicht reüssierten: «Es gab schon Fälle, in denen der Ja-Anteil um bis zu 40 Prozentpunkte zurückging», schliesst Mousson.