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Alte Brücken in der Schweiz Hightech-Pflaster für müdes Eisen

Über 570 alte Eisenbahnbrücken hat die Schweiz. Ein neues System dürfte deren Lebensdauer um Jahrzehnte verlängern. Ein Besuch bei der Stahlbrücke von Münchenstein, die seit dem Ende des vorletzten Jahrhunderts allen Belastungen trotzt. Zuvor kam es allerdings zu einer historischen Tragödie.

Es ist die schlimmste Eisenbahnkatastrophe der Schweiz. In der Nähe von Basel stürzt am 15. Juni 1891 unter der Last eines von zwei Lokomotiven betriebenen Personenzugs der Jura-Simplon-Bahn eine Stahlbrücke ein. Der voll besetzte Zug fällt in die Birs bei Münchenstein. Über 70 Menschen sterben.

Die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt damals: «Zwischen diesem schauerlichen Gemengsel erblickt man noch menschliche Leichen eingekeilt. Da ragen zwei Kinderfüsse aus dem Wasser heraus. Daneben tauchen Arme und Beine von Erwachsenen empor, während die Leiber im Wasser liegen. Hier eine Hand, dort ein Arm, der noch nach Rettung greifen wollte.»

Eine neue Brücke, die bis heute hält

Das Unglück sorgte weltweit für Schlagzeilen. Aber schon im Jahr darauf wurde die Eisenbahnbrücke in Münchenstein wieder neu gebaut. Inzwischen ist das Bauwerk über die Birs mit seinen rostigen, massiven Trägern 126 Jahre alt und immer noch voll in Betrieb. Es knirscht, wenn die modernen Intercity-Züge darüberfahren.

Die Belastungen hätten sich erhöht, ebenso die Anzahl Züge, stellt Masoud Motavalli fest, Abteilungsleiter bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa. Eines der Hauptprobleme solcher Eisenbahnbrücken seien die Risse infolge Ermüdung. Von den über 570 Eisenbahnbrücken aus Metall in der Schweiz sähen viele ähnlich aus.

Die Idee des Ingenieurs Elyas Ghafoori

Die Sanierung solcher Brücken ist eine riesige Herausforderung für die Bahnunternehmen. Ebenso für den Ingenieur Elyas Ghafoori. Vor neun Jahren hatte er ein Projekt gestartet mit der Idee, die Brücke mit Pflastern aus Carbonfasern und Kunststoff zu verstärken: Die gefährdetsten Bestandteile sollten so – ähnlich wie bei einer Hautverletzung – zusammengeschoben und fixiert werden.

Brücken.
Legende: Masoud Motavalli (l.) und Elyas Ghafoori, der das neue System zur Brückenstabilisierung entwickelt hat. Christian von Burg/SRF

Das tönt einfach, doch bis es soweit war, musste Ghafoori viel Lehrgeld bezahlen. Einmal stürzte gar die Test-Anlage an der Empa zusammen. Er hatte Laborverbot, bis er wissenschaftlich erklären konnte, was schiefgelaufen war.

Hauchdünn und fünfmal stärker als Stahl

Dann aber gings vorwärts. Und was man jetzt unter der Münchensteiner Brücke sieht, scheint sehr einfach: Nur zwei Träger wurden mit je drei schmalen, etwa drei Meter langen Bändern verstärkt, die zwischen zwei Klötzchen geklemmt und dann unter Spannung gesetzt wurden. Die Bänder sind sehr filigran, gerade einmal 1,2 Millimeter dick, aber sind fünfmal fester als Stahl.

Dabei sei die Lösung einfach und erst noch kostengünstig, sagt Empa-Doktorand Ghafoori. Nur etwa 10’000 Franken kostet so eine Sanierung. Das Aufwändigste dabei ist die Analyse der Brücke, um die Schwachpunkte zu lokalisieren. Die Messungen der letzten drei Jahre haben gezeigt: Die Träger der Brücke sind wieder voll leistungsfähig.

Mittlerweile arbeitet die Empa mit australischen Universitäten zusammen und hat Anfragen aus China und Frankreich bekommen. Auch sie haben ein Interesse, ihre alten Brücken einfach und günstig zu sanieren.

Wie lange wird die Brücke halten?

«Unsere Berechnungen zeigen, dass diese Brücke für die nächsten 30 bis 50 Jahre hält», sagt Empa-Experte Motavalli. Doch der Professor bleibt vorsichtig. Denn er weiss, dass auch grosse Ingenieure Fehler machen. Die Vorgängerbrücke in Münchenstein nämlich stammte von Gustave Eiffel, dem späteren Erbauer des Eiffelturms in Paris.

Die Ursachen für den Einsturz untersuchte der damalige Empa-Direktor Ludwig von Tetmajer, was der damals noch jungen Forschungseinrichtung viel Legitimität und Geld einbrachte. Tetmayer kam zum Schluss, dass die Brücke nicht richtig dimensioniert und entsprechend instabil war. Gustave Eiffel habe also einen verhängnisvollen Fehler gemacht, sagt Motavalli.

Bilder aus dem ETH-Archiv zum Unglück vom 15. Juni 1891

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