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Angst vor Covid-19 Tastaturen und Türklinken bergen kaum Ansteckungsgefahr

Studien zeigen, dass eine Übertragung des Coronavirus über Oberflächen wenig wahrscheinlich ist.

Zu Beginn der Corona-Pandemie war die Unsicherheit darüber, wie und wo man sich ansteckt, gross. Immer mehr wird klar: Ansteckungen über Oberflächen scheinen sehr selten zu sein. Das bestätigen nun zwei neue Studien mit Beteiligung der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut der ETH.

Die Forscherinnen und Forscher um Tim Julian, Mikrobiologe an der Eawag, haben mitten in der ersten Welle in einer amerikanischen Stadt untersucht, wie verbreitet Coronaviren auf Oberflächen sind.

Empfindliche Coronaviren

348 Objekte und Oberflächen haben sie untersucht, unter anderem Türgriffe, Knöpfe beim Fussgängerstreifen, Zapfpistolen an der Tankstelle und Tastaturen bei Geldautomaten, sagt Tim Julian. Auf rund acht Prozent dieser Proben hätten sie Bestandteile von Coronaviren gefunden.

Das ist zwar relativ wenig, aber das habe sie nicht besonders überrascht, sagt Tim Julian. Denn Coronaviren seien im Vergleich zu anderen Viren auf Oberflächen deutlich empfindlicher – und bleiben da nicht lange intakt. Es habe ihn deshalb überrascht, dass sie überhaupt Virusmaterial gefunden hätten, sagt der Forscher.

Mit einem Modell haben die Forscher dann berechnet, wie gross das Risiko ist, sich über eine Oberfläche zu infizieren. Das Resultat: Fünf von 10'000 Berührungen mit solchen oft genutzten Oberflächen könnten zu einer Infektion führen. Das ist zwar ein tiefes Risiko, aber Null ist es nicht.

Lieber gut die Hände waschen

Sollen also weiterhin Oberflächen möglichst desinfiziert werden? Tim Julian erwähnt eine zweite Studie, in der er und seine Mitarbeiter modelliert hätten, wie gross der Nutzen von Oberflächendesinfektion im Vergleich zum Händewaschen ist.

Die Resultate waren klar: Die Hände sauber halten, gut waschen oder desinfizieren sei deutlich effektiver im Kampf gegen Ansteckungen. Oberflächen reinigen sei gut, aber man solle dies nicht auf Kosten von anderen Massnahmen tun, es bringe schlicht zu wenig.

Risiko wird sogar überschätzt

Diese Studien seien interessant, sagt Hugo Sax. Er ist Infektiologe und war bis zu seiner kürzlichen Pensionierung Leiter der Spitalhygiene am Unispital Zürich. Er hat vor einigen Jahren ähnliche Studien mit Grippeviren durchgeführt.

«Diese Studien zeigen häufig, dass kein infektiöses Virus mehr nachweisbar ist», sagt er. Das heisst, dass Studien wie die von Tim Julian das Risiko sogar eher überschätzen, wenn nur Genmaterial angeschaut wird. Auch Hugo Sax gibt also Entwarnung, mit einem kleinen Aber: «Oberflächen im Allgemeinen sind kein Risiko, es kann aber immer sein, dass in bestimmten Situationen – wenn schnell hintereinander Menschen, die vielleicht kontaminierte Hände haben Oberflächen anfassen – die Viruskonzentration so hoch wird, dass es doch zu einer Übertragung kommt.» Hugo Sax denkt dabei aber vor allem an Türgriffe und Tische in Spitälern.

Eine Infektion mit dem Coronavirus über Oberflächen lässt sich also nicht komplett ausschliessen, sie ist aber unwahrscheinlich. Wer sich nicht ins Gesicht fasst und die Hände reinigt, ist also relativ gut geschützt vor Tastaturen, Geldscheinen, Türgriffen und Halteknöpfen.

Echo der Zeit, 4.02.2021

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