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Finanzierung der Raumstation «Die ISS zu betreiben, ist keine zukunftsträchtige Strategie»

Die Astronauten in der Internationalen Raumstation ISS schweben in der Schwerelosigkeit und machen Grundlagenforschung. Vielleicht droht ihnen aber schon bald eine harte Landung: Wie amerikanische Medien berichten, will die Regierung unter Donald Trump die ISS in Zukunft nicht mehr finanzieren. Der Weltraumwissenschaftler Rudolf von Steiger zu den Hintergründen.

Rudolf von Steiger

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Rudolf von Steiger ist Weltraumwissenschaftler und Direktor des International Space Science Institutes in Bern.

SRF News: Warum wollen sich die USA aus der ISS zurückziehen?

Rudolf von Steiger: Die ISS kommt in die Jahre. Sie ist jetzt seit zwanzig Jahren erfolgreich in Betrieb. Eine besondere Rolle dabei spielen die internationalen Verträge zwischen den USA, Russland, der europäischen Weltraumbehörde und anderen. Diese Verträge laufen in ungefähr fünf Jahren aus. Dann stellt sich die Frage: Was nun? Es ist keine zukunftsträchtige Strategie, die Raumstation weiter zu betreiben.

Warum nicht?

Wenn man an der Spitze bleiben will, ist ein Weiterführen selten die Strategie, die einem dort hält. Die Nasa will zu den Sternen. Die sind zwar noch weit weg; Mond, Mars und auch das weiter entfernte Sonnensystem sind aber attraktive Ziele. Sie kommen mit der Zeit in Reichweite.

Es ist fast nicht zu glauben, aber 2019 ist die Mondlandung fünfzig Jahre her. Jetzt sind wir vielleicht in der Lage, mit vernünftigen Mitteln wieder auf den Mond zurückzukehren und auf dessen erdabgewandter Seite eine Weltraumstation einrichten zu können. Das wäre eine attraktive nächste Generation von Weltraumstationen.

Die USA gehen davon aus, dass private Betreiber einspringen und die Finanzierung der ISS übernehmen. Ist das realistisch?

Das scheint mir ein bisschen schwierig. Ich möchte nicht behaupten, es sei nicht realistisch. Es gibt genügend Leute mit viel Geld, die sich vielleicht vorstellen, dort einsteigen zu können. Ob es für eine private Unternehmung aber nachhaltig betreibbar ist, bezweifle ich.

Weil es zu teuer ist?

Es ist unglaublich teuer. Es ist auch für die Nasa wesentlich teurer, als ursprünglich gedacht – ähnlich wie das Space-Shuttle-Programm, das ja inzwischen eingestellt worden ist. Die Kosten sind nie gesunken. Die Raumstation wird heute mit einer viel kleineren Crew betrieben, als es vorgesehen war. Diese kleine Mannschaft hat einen guten Teil des Tages damit zu verbringen, die Station in Betrieb zu halten, und wenig Zeit dafür, eigentliche Forschung zu betreiben.

Vergangene Woche schickte das private Unternehmen Space X seine Rakete in den Weltraum. Welche Interessen verfolgen Private im Weltraum?

Hier sprechen wir von einem anderen Paar Schuhe. Es geht dabei um den Zugang zum Weltraum mit Raketen. Da sind private Anbieter seit mehreren Jahren aktiv – Elon Musk von SpaceX ist lediglich der Sichtbarste davon. Es gibt nicht nur die wissenschaftlichen Starts von Nasa und Esa, sondern eine grössere Zahl kommerzieller Starts – etwa von geostationären Satelliten, GPS-Systemen oder Erdbeobachtungssystemen. Sie alle bedienen durchaus ein kommerzielles Interesse.

Welche Erkenntnisse haben wir durch die ISS eigentlich gewonnen?

Hmmm….

Sie zögern?

Das ist eine schwierige Frage. Ich bin Weltraumwissenschaftler. Alles, woran ich gearbeitet habe, war mit unbemannten Weltraumsonden möglich. Die Stationen würde ich vom wissenschaftlichen Output her als milde Enttäuschung bezeichnen.

Das Wichtigste an der ISS war die internationale Zusammenarbeit.

Ich könnte in einem Atemzug keine zehn Resultate nennen, die dank der Station gewonnen worden sind. Wahrscheinlich bildet das aber einfach meine Unwissenheit ab und nicht die Nutzlosigkeit der Station. Das Wichtigste an der ISS war die internationale Zusammenarbeit. Vor zwanzig Jahren hatte der Kalte Krieg erst gerade geendet. Das ist eine wichtige Motivation.

Wer wird in 20 Jahren alles im Weltall unterwegs sein?

Wir werden ganz sicher neue, grosse Player im Weltraum haben – neben den klassischen Grössen USA, Europa, Russland und Japan. Heute schon sind die Chinesen da. Und auch Indien ist stark vertreten.

Und Private?

Sie spielen sicher auch eine Rolle. Wenn ich jetzt wetten müsste, würde ich aber sagen, dass Menschen in 20 Jahren nicht auf dem Mars spazieren werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das ernsthaft betreibt. Der Nutzen einer bemannten Mission auf den Mars ist für mich nicht einsichtig. Es könnte durchaus sein, dass die Astronauten den Ausflug mit dem Leben bezahlen. Die Kosten und Risiken sind einfach zu hoch.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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