Die Sentinelesen sind eines der letzten Rätsel für Anthropologen. Sie leben auf der indischen Andamanen-Insel North Sentinel weitgehend unberührt von der Zivilisation.
Von Kontakten mit dem Inselvolk wird abgeraten – und zwar nicht nur, weil der Kontakt mit den Keimen der zivilisierten Welt für die Ureinwohner tödlich wäre. Auch weil die Sentinelesen nach negativen Erfahrungen in der Vergangenheit feindselig auf ungebetene Besucher reagieren.
Seinen Leichtsinn musste ein US-Missionar vor einer Woche mit seinem Leben bezahlen: Der 27-jährige John Allen Chau wollte das Inselvolk bei seinem Besuch am 17. November offenbar zum Christentum bekehren.
Nach indischen Behördenangaben hatte er Fischer bestochen, um ihn in die Nähe der Insel zu bringen und war dann per Kajak an Land gefahren. Die Ureinwohner töteten Chau daraufhin offenbar mit Pfeilen.
Sie haben uns angestarrt und wir haben zurückgestarrt.
Die Fischer, die Chau zu der Insel brachten, haben nach eigenen Angaben gesehen, dass die Ureinwohner seine Leiche am Strand vergruben. Ob seine Leiche jemals geborgen werden kann, ist jedoch unklar. Die Sentinelesen attackieren jeden, der ihre Insel betritt.
Nun hat die indische Polizei Ermittlungen aufgenommen: Die Polizei fuhr am Samstag mit einem Boot bis auf 400 Meter an die Insel heran. An dem Strand, an dem der 27-jährige John Allen Chau zuletzt lebend gesehen wurde, beobachteten sie Sentinelesen. Sie waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet, wie der Polizeichef der Andamanen sagte.
«Sie haben uns angestarrt und wir haben zurückgestarrt», berichtete er über die angespannte Begegnung. Die Polizisten machten schliesslich kehrt, um eine Konfrontation zu vermeiden.
Die nur 150 noch lebenden Sentinelesen zählen zu den letzten sogenannten unkontaktierten Völkern. Sie wollen nichts mit der Aussenwelt zu tun haben. Indiens Regierung respektiert den Wunsch der Inselbewohner nach Abgeschiedenheit, Fremde müssen fünf Kilometer Abstand zu ihren Gebieten einhalten.
Gruppenpsychologie auf der Spur
Nach Polizeiangaben waren zuletzt 2006 zwei Fischer, die sich auf die Insel verirrt hatten, von dem Inselvolk getötet worden. Eine Woche später wurden ihre Leichen an der Küste auf Bambusstäben aufgespiesst. «Wie eine Art Vogelscheuche», sagte Pathak.
Um über ihr weiteres Vorgehen zu entscheiden, untersucht die Polizei nun wieder den Fall von 2006. «Wir befragen Anthropologen, was sie machen, wenn sie Aussenstehende töten», sagte der Polizeichef über die Sentinelesen. «Wir versuchen ihre Gruppenpsychologie zu verstehen.»