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Kein genereller Schwund In den USA bleibt die «Insekten-Apokalypse» aus

Ist das Insektensterben ein europäisches Phänomen? Fachleute dies- und jenseits des Atlantiks sind uneins.

Insektensterben, ja gar Insekten-Apokalypse: In den letzten Jahren haben verschiedene Studien die Öffentlichkeit aufgerüttelt, die einen teilweise dramatischen Rückgang der Insekten festgestellt haben. Die meisten dieser wissenschaftlichen Arbeiten allerdings sind in Europa gemacht worden; ob es an anderen Orten der Welt ähnlich schlimm aussieht, lag bislang im Dunkeln.

Nun hat eine grosse Studie erstmals untersucht, wie es mit dem Vorkommen der Insekten in den USA aussieht. Es ist ein erstaunlicher Datenberg, den die Autorinnen und Autoren der Studie ausgewertet haben: 5300 Messreihen, die über die Dauer von bis zu 36 Jahren in den USA gesammelt wurden; von Schmetterlingen, Bienen, Käfern, Mücken, Blattläusen, Zecken, Zikaden, Flug- und vielen anderen Insekten.

Zigeneurmotte
Legende: Die Raupe einer Zigeunermotte im US-Bundesstaat New Jersey. Nicht nur der Schädling fühlt sich den Staaten wohl – laut den Forschern ist die Insektenwelt im Land insgesamt intakt. Keystone

Das wissenschaftliche Team konnte dabei auf eines der besten Monitoring-Programme der Welt zurückgreifen, nämlich ein Netzwerk verschiedenster Beobachtungsposten, die über die ganze Fläche der Vereinigten Staaten verteilt sind.

Kein genereller Insektenschwund

Dieses Netzwerk deckt die ganze Vielfalt möglicher Lebensräume für Insekten ab: von städtischen Gebieten wie Baltimore oder Phoenix über die weiten landwirtschaftlich genutzten Flächen im Mittleren Westen, ökologischen Ausgleichsflächen bis zur arktischen Tundra in Alaska oder der Wüste New Mexicos. An all diesen Orten gibt es Insekten – wenn auch nicht überall die gleichen.

Bienen im US-Bundesstaat Washington.
Legende: Manche Arten seien auf dem Rückzug, andere auf dem Vormarsch, so die Forscher. Das grosse Insektensterben habe in den USA aber nicht eingesetzt. Keystone

Noch erstaunlicher als die gesammelte Datenmenge aber ist das Resultat der Untersuchung: Es sei kein genereller Insektenschwund zu beobachten, schreibt das Autorenteam in der Fachzeitschrift «Nature Ecology & Evolution». An einigen Standorten seien Vielfalt und Häufigkeit der Insekten zwar tatsächlich zurückgegangen, bei anderen wiederum hätten ihre Bestände zugenommen – oder seien unverändert geblieben.

Transatlantische Uneinigkeit

Unter dem Strich, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, hielten sich Verluste und Zunahmen ungefähr die Waage. Ist also alles nicht so schlimm? Das Insektensterben ein rein europäisches Phänomen? Das sei viel zu pauschal, argumentieren Fachleute in ersten Reaktionen auf die Untersuchung.

Western Bumblebee in Utah
Legende: Die Hummel – hier in Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah – gehört zu den Arten, die in den USA auf dem Rückzug sind. Sie könnte bald auf der Liste der gefährdeten Arten landen. Keystone

Experten aus Deutschland machen zum Beispiel geltend, dass für die US-Studie Standorte einbezogen wurden, die in riesigen ökologischen Gebieten liegen und mit den kleinen Naturschutzgebieten Europas nicht vergleichbar seien. Oder man könne Datensätze von Mücken, Zecken oder Blattläusen, die kaum gefährdet seien, nicht mit jenen von Fluginsekten gleichsetzen, die in den europäischen Studien starke Rückgänge aufweisen.

Rote Listen: Gefährdete Arten der Schweiz

Die amerikanischen Wissenschaftler halten dem entgegen, die schiere Fülle ihrer Daten über die lange Zeit zeige ein vollständigeres Bild der Insektenwelt als Studien, die nur auf lokale Trends fokussierten. Doch das Phänomen «Insektensterben» bleibe schwer fassbar. Und darin sind sich die Fachleute diesseits und jenseits des Atlantiks wohl einig.

Echo der Zeit vom 10.08.2020, 18 Uhr

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