Ohne künstlichen Sauerstoff hatten Reinhold Messner und Peter Habeler am 8. Mai 1978 den Gipfel des Mount Everest erreicht. Fast genau 25 Jahre nach der Erstbesteigung des mit 8848 Metern höchsten Berges der Welt durch Hillary und Tenzing Norgay setzten sie einen Meilenstein in der Geschichte des Bergsteigens.
«Es war kein Rekord. Es war eine Idee, die dann deckungsgleich umgesetzt wurde», sagt Messner, dem Gegner übersteigerten Ehrgeiz und Egoismus vorhalten und den Fans als Grenzgänger bewundern.
Grosse Schäden hinterlässt dieses Bergsteigen nicht.
Erfahrene Alpinisten hatten dem Plan wenig Aussicht auf Erfolg eingeräumt. Ärzte warnten, ein Mensch könne in dieser Höhe nicht ohne künstlichen Sauerstoff überleben, ohne Schaden zu nehmen. «Meine Kritiker sagen ja, dass mein Gehirn gelitten hätte», spielt Messner an. Er selbst und Habeler erfreuten sich aber bis heute bester Gesundheit. «Grosse Schäden hinterlässt dieses Bergsteigen nicht.»
Vom Abenteuer zum Massentourismus
Heute würde ihn der höchste Berg der Welt nicht mehr reizen. «Natürlich könnte ich noch auf den Everest steigen – auf der Piste, die inzwischen präpariert wird, mit Sauerstoffgerät und Ärzten, die mich betreuen. Aber das wäre mir dann peinlich», sagt der 73-Jährige. «Den Everest, wie Hillary ihn bestiegen hat, gibt es heute nicht mehr. Es ist der gleiche Berg, aber der Berg wird in Seile und Ketten gelegt.»
Sherpas arbeiteten monatelang in grosser Gefahr «als Strassenarbeiter», um den Touristen-Weg zu bauen. Die Entwicklung sei nicht umkehrbar – schon wegen der Einnahmen für Nepal. 11'000 Dollar koste die Genehmigung. «Wenn es tausend Menschen versuchen, sind das elf Millionen Dollar.» Ein Everest-Verbot für Blinde, Amputierte und Solo-Begeher, das Nepal kurzzeitig verhängt hatte, halte er nicht für die Lösung.
«Die Menschen suchen alle den Fluchtpunkt ihrer persönlichen Eitelkeiten, der Everest ist die beste Möglichkeit dafür. Ich nehme mich da nicht aus.» Er und Habeler hätten die Sache aber andersherum angegangen. «Wir haben uns eine möglichst schwierige Aufgabe gestellt – und nicht die Schwierigkeiten vorher alle ausgelöscht.»
Ich wollte hinunter, nur noch hinunter.
Am 8. Mai um 13 Uhr krochen beide die letzten Meter zum Gipfel. Sie hatten geschafft, was kaum jemand für möglich hielt. «Trotzdem war in mir kein Triumph, sondern eher ein Gefühl der Leere», schreibt Habeler in seinem Buch.
Von Hochgefühl keine Spur. «Ich wollte hinunter, nur noch hinunter.» Ähnlich ging es Messner. Vor allem Habeler hatten beim Aufstieg immer wieder Ängste und Zweifel geplagt – er war Monate zuvor Vater geworden.
Habeler sagt, er habe am Everest mehr Angst gehabt als bei allen späteren Expeditionen; Messner zählt ihn nicht zu seinen schwierigsten Touren. Die Erkundung der Wüsten und der Pole sei eine grössere Herausforderung gewesen. Und: «Die Nanga-Parbat-Sache mit meinem Bruder – das war das Schlimmste, was ich erlebt habe.» Günther Messner war 1970 nach der gemeinsamen Besteigung der Rupalwand umgekommen.
Mit fast 75 ziehe er sich aber langsam aus der Betriebsamkeit zurück. Seine Stiftung, mit der er gerade eine vom Erdbeben zerstörte Klinik in Nepal neu baute, will er auflösen. Er plane noch ein Museum in Nepal und eines im Kaukasus, ein Auftrag der georgischen Regierung. Sein Museum in Südtirol habe er seiner Tochter übergeben. Es seien «erste Schritte des Zurückziehens». «Ich will nicht mehr müssen.»