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Preiskampf der Raketenbauer Private US-Raketen gefährden Ariane 6

Europas Raumfahrtindustrie fürchtet um ihre Zukunft. Denn die Amerikaner locken die Kundschaft mit Dumpingpreisen.

Die Starts der US-Raumfähre Space Shuttle waren spektakulär. Finanziell aber war die Raumfähre ein Desaster. Das weltweite Raketengeschäft blieb deshalb zu 50 Prozent in der Hand der Europäer. Doch jetzt wendet sich das Blatt – wegen der privaten amerikanischen Konkurrenz. Die Firma SpaceX von Elon Musk bietet Raketenstarts zu Dumpingpreisen an.

Marktvorteile dank Washington

Diese Preise seien nur möglich, weil die US-Regierung die privaten US-Weltraumunternehmer stark unterstütze, sagt Daniel Neuenschwander, der vor zwei Jahren als erster Schweizer bei der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA zum Direktor ernannt wurde.

Die US-Behörden zahlten für die eigenen Starts überhöhte Preise, stellt Neuenschwander fest: «Den kommerziellen Akteuren werden Motoren, Infrastruktur oder das Startgelände zur Verfügung gestellt. Zusammen mit den tiefen Preisen setzt das alle Konkurrenten massiv unter Druck.»

Eine Ariane 5 startet im November 2016 vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana.
Legende: Eine Ariane 5 startet im November 2016 vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana. Keystone/Archiv

Europäer aus dem Weltraum kicken?

Die ESA bestellt die Rakete. Industriell hergestellt wird sie von der Ariane Groupe. Deren Chef Alain Charmeau geht noch einen Schritt weiter. Ziel der Amerikaner sei es, die Europäer aus dem Weltraum zu kicken, sagte er kürzlich dem Nachrichtenmagazin «Spiegel». Neuenschwander ist zurückhaltender: «Tatsache ist, dass wir uns in einem knallharten Geschäft befinden. Ob da mehr dahintersteht, das möchte ich nicht kommentieren.»

Bundeswehr fliegt mit Musk

Die europäischen Raketen werden zwar auch immer günstiger. So soll Ariane 6 nur noch halb so teuer werden wie das Vorgängermodell. Trotzdem sind die privaten US-Raketen billiger und damit attraktiver. Die deutsche Bundeswehr etwa hat bereits entscheiden, ihre Aufklärungssatelliten mit Elon Musks SpaceX in den Orbit zu bringen.

4 Milliarden Euro öffentliche Mittel

Private, die Satelliten in die Erdumlaufbahn bringen wollen, sind frei in der Wahl der Rakete. Aber wenn sich nun auch europäische Institutionen abnabelten von den teureren Starts der Ariane-6, sei das verheerend, sagen verschiedene angefragte Experten. Denn die öffentliche Hand hat vier Milliarden Euro in die Entwicklung der neuen Rakete investiert. Die Schweiz ist mit 90 Millionen Franken massgeblich am Grossprojekt beteiligt.

Letztlich ist es auch eine Frage der Souveränität.
Autor: Daniel Neuenschwander ESA-Direktor

ESA-Direktor Neuenschwander: «Wir müssen sicherstellen, dass wir unsere europäischen Satelliten für institutionelle Missionen auch mit europäischen Raketen starten. Letztlich ist es auch eine Frage der Souveränität.» Im Klartext: Europa muss unabhängig bleiben von den USA, damit sowohl Wissenschaft wie Militär auf eigene Raketen Zugriff haben.

Daniel Neuenschwander.
Legende: Daniel Neuenschwander ist für die Entwicklung der europäischen Ariane-6 Rakete zuständig. ESA

Mit Ariane fliegt auch Swiss Made ins All

Ein Stopp der Ariane-Produktion hätte laut Neuenschwander grosse wirtschaftliche Auswirkungen auch in der Schweiz. Denn jedes Mal, wenn eine Ariane ins Weltall fliegt, ist die Schweiz an vorderster Front dabei: Die hiesige Industrie produziert unter anderem die Nutzlastverkleidung, also die Spitze der Rakete, welche die Satelliten während dem Aufstieg durch die Atmosphäre schützt.

Hoffen auf Zusagen bis Ende Monat

Die neue Ariane-Rakete ist bereits im Bau. Bisher sind aber erst zwei Starts vertraglich vereinbart. Die Produktion wird gestoppt, wenn die EU, Frankreich und Deutschland sich nicht schnell zu weiteren Starts verpflichten.

Neuenschwander setzt deshalb alle Hebel in Bewegung, dass es anders kommt. Schafft er das? «Ich bin zuversichtlich, dass wir bald zu einem Abschluss kommen werden. Wichtig ist, dass die Industrie Ende Juni eine klare Perspektive hat.» Viel Zeit bleibt ihm also nicht mehr.

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