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Ein Quantencomputer in den Forschungsräumen von IBM
Legende: Ein Quantencomputer kann Berechnungen anstellen, an denen ein herkömmlicher Computer scheitert. Flickr/IBM Research

Quantencomputer Die Zukunft des Computers

Quantencomputer sollen herkömmlichen Computern in vielem überlegen sein. Doch: Gibt es solche Maschinen überhaupt schon?

Die Computer, wie wir sie kennen, scheinen langsam an ihre Grenzen zu kommen. Während man jahrelang auf die Faustregel vertraute, dass sich die Rechenleistung der Maschinen alle ein bis zwei Jahre verdoppelt, geraten die Hersteller nun an die Grenzen des physikalisch Möglichen. Denn die Elemente, die in Computer-Chips verwendet werden, sind heute bis zu 8000-mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. So klein, dass allein durch die weitere Miniaturisierung keine Leistungssteigerung mehr möglich ist – weil sich die Chips gar nicht weiter verkleinern lassen.

Doch es kündigt sich eine neue Generation von Computern ab: Quantencomputer, die sich die Gesetze der Quantenphysik zu eigen machen. Sie sollen herkömmlichen Computern in vielen Bereichen überlegen sein. Allerdings: Es ist nicht einfach zu unterscheiden, was in diesem Bereich noch reine Spekulation und was schon Wirklichkeit ist. Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Gibt es schon Quantencomputer?

Es gibt Prototypen von Quantencomputern. Sie beweisen, dass sich die theoretischen Grundlagen auch in der Praxis anwenden lassen. Firmen wie Google oder IBM verfügen über solche Maschinen.

Ein Portrait von Jeremy O'Brien
Legende: Jeremy O'Brien leitet das Centre for Quantum Photonics an der Universität von Bristol. Youtube

«Wenn man einen Quantencomputer will, der beliebige Probleme lösen kann – Quantenprobleme oder auch klassische Probleme – dann sind wir sicher noch 10 oder 20 Jahre davon entfernt», sagt Andreas Fuhrer, der bei IBM Research in Rüschlikon Grundlagenforschung in diesem Bereich betreibt. Einen Chip aber, der mit Hilfe von quantenmechanischen Eigenschaften Rechenoperationen durchführt, an denen ein herkömmlicher Computer scheitert, könne es schon in den nächsten Jahren geben.

Der gleichen Meinung ist auch Jeremy O’Brien. Der Gebürtige Australier leitet das Centre for Quantum Photonics an der Universität von Bristol. Er schätzt: «So ein Quantencomputer ist nur noch Jahre entfernt – und nicht Jahrzehnte.»

Wie funktioniert ein Quantencomputer?

Um die Funktionsweise eines Quantencomputer zu verstehen, sollte man sich zuerst die eines herkömmlichen Computers vor Augen führen. So ein Computer rechnet mit winzigen Transistoren. Sie funktionieren wie elektrische Schalter und können zwei Zustände unterscheiden: 0 und 1. Diese kleinste Informationseinheit wird auch Bit genannt.

In einem herkömmlichen Computer stecken Millionen dieser Transistoren – im neusten iPhone zum Beispiel sind es gut 4,3 Milliarden. Zusammengenommen können sie hochkomplexe Rechenoperationen meistern.

Das Bild eines Quantencomputer-Prozessors von IBM mit 16 Qubits.
Legende: Der Quantencomputer-Prozessor von IBM mit 16 Qubits kann über das Internet von Forschern und Programmierern getestet werden. Flickr/IBM Research

Statt mit Bits rechnet ein Quantencomputer mit sogenannten Quantenbits, auch Qubits genannt. Das quantenmechanische Prinzip der Superposition macht es möglich, dass ein Qubit zwei Zustände auf einmal haben kann – also nicht nur 0 oder 1, sondern auch 0 und 1.

Während zwei herkömmliche Bits also entweder den Wert 00, 01, 11 oder 10 haben, können zwei Quantenbits alle vier Werte gleichzeitig haben, da sie beide gleichzeitig die Zustände 0 und 1 sein können. «Damit profitieren wir bei bestimmten Berechnungen von exponentiell mehr Rechenleistung», sagt Jeremy O’Brien.

Warum hat der Quantencomputer beim Rechnen einen Vorteil?

Dank dem Prinzip der Superposition kein ein Quantencomputer bestimmte Berechnungen parallel anstellen. Ein herkömmlicher Computer rechnet dagegen sequenziell, also hintereinander.

Andreas Fuhrer untersucht die Kühleinheit, mit der die Qubits des IBM-Quantencomputers auf Temperaturen gekühlt werden, die kälter sind als die tiefsten Teile des Weltraums.
Legende: Andreas Fuhrer untersucht die Kühleinheit des IBM-Quantencomputers. Flickr/IBM Research

Ein Beispiel: Muss ein herkömmlicher Computer den optimalen Weg berechnen, der die Punkte A, B, C und D verbindet, probiert er erst die Strecke von A nach B nach C nach D aus. Danach versucht er die Strecke von A nach C nach D nach B. Danach die Strecke von A nach D nach B und nach C und so weiter. Am Ende vergleicht er die verschiedenen Resultate und wählt das beste aus.

Ein Quantencomputer dagegen muss diese Berechnungen nicht hintereinander anstellen, sondern kann sie parallel rechnen. Dadurch spart er viel Zeit – und die Zeitersparnis wächst exponentiell mit jedem weiteren Punkt, der dazukommt.

Lässt sich ein Quantencomputer tatsächlich so leicht erklären?

Nein. So gilt zum Beispiel die Aussage, dass Qubits zwei Zustände gleichzeitig haben können, nur, solange das Qubit unbeobachtet ist. Sobald es gemessen wird, kollabiert es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in einen der beiden Zustände. Das Qubit nimmt also, wenn es beobachtet wird, den Zustand 0 oder 1 an – wie bei einem herkömmlichen Rechner auch. Um trotzdem anders als dieser zu arbeiten, muss der Quantencomputer noch andere quantenmechanische Effekte nutzen.

Woraus besteht ein Quantenbit?

Ein Qubit kann beliebiges Quantensystem mit 2 Zuständen sein. Dafür kommt jedes beliebig manipulierbare System in Frage, das nur zwei durch Messung sicher unterscheidbare Zustände hat. Das geht zum Beispiel mit Ionen in einer sogenannten Ionenfalle. Auch die Spins in Molekül-Kernen oder die Polarisation von Photonen können Qubits repräsentieren.

Wo liegen die grössten Hindernisse?

«Weil ein Quantenbit nicht nur die Zustände 0 oder 1 haben kann, ist es viel fehleranfälliger als ein gewöhnliches Bit», sagt Andreas Fuhrer. Mit den supraleitenden Quantenbits, die bei IBM verwendet werden, können heute an die hundert Operationen ausgeführt werden, bevor ein Fehler auftritt. «Wir sind also noch ziemlich limitiert darin, welche Rechnungen wir überhaupt anstellen können».

Für einen Quantencomputer, der beliebige Probleme lösen kann, braucht es um die 50 bis 100 sogenannte fehlerkorrigierte Qubits. Die Prototypen, die heute schon im Einsatz stehen, sind davon noch weit entfernt. Doch Andreas Fuhrer meint: «Es gibt noch technologische Hürden, die wir nehmen müssen. Aber es gibt keinen ‘Showstopper’, der uns heute schon klarmachen würde, dass wir das nicht schaffen können.»

Auch Jeremy O’Brien ist zuversichtlich. Die grösste Hürde sei, genug Qubits zur Fehlerkorrektur zu gewinnen. Denn für hundert fehlerkorrigierte Qubits seien gut eine Million Qubits andere Qubits zur Fehlerkorrektur nötig. «Auf diese Zahl kommen wir am einfachsten, wenn wir die Mittel der heutigen, herkömmlichen Chip-Produktion nutzen», glaubt O’Brien.

Für was werden Quantencomputer gebraucht werden?

Quantencomputer werden herkömmlichen Rechnern nicht in allen Bereichen überlegen sein. Wenn es um Rechenoperationen geht, bei denen das parallele Rechnen keine Vorteile bringt, sind heutige Computer das bessere Mittel. So wäre es unsinnig, einen Quantencomputer für Grafikdarstellungen oder Office-Programme einzusetzen.

In anderen Bereichen ist der Quantencomputer den Computern von heute aber weit überlegen. Etwa wenn es um das Durchsuchen grosser Datenbanken geht. Ein klassischer Computer muss dazu im ungünstigsten Fall Eintrag für Eintrag nacheinander durchgehen. Ein Quantencomputer schafft das parallel und spart somit viel Zeit.

Mit Quantencomputern lassen sich auch biochemische und quantenmechanische Vorgänge simulieren, an denen ein Computer von heute scheitern würde. Und die Zerlegung von Primfaktorenzahlen, die bei kryptografischen Verfahren zum Einsatz kommen, schafft der Quantencomputer ungleich schneller.

An manchen Orten rechnet man schon fest mit diesen neuen Möglichkeiten. So weiss man aus den Unterlagen des Whistleblowers Edward Snowden, dass der amerikanische Geheimdienst NSA ein Budget von rund 80 Millionen Dollar zur Entwicklung eines eigenen Quantencomputers beiseitegestellt hat. Mit dem Ziel, bald auch die sichersten Verschlüsselungsmethoden knacken zu können.

Ein Bild der Kälteeinheit eines Quantencomputers von IBM.
Legende: Die Qubits in IBMs Quantencomputer werden auf Temperaturen gekühlt, die kälter sind als die tiefsten Teile des Weltraums. Flickr/IBM Research

(Das Interview mit Jeremy O'Brien am WEF 2018 war dank Vermittlung des Europäischen Forschungsrates möglich.)

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