Die Briten sind derzeit nicht zu beneiden. Quälend lange Verhandlungen mit Brüssel und ein drohender Brexit-Kater zum neuen Jahr; als ob das nicht genug wäre, wird das Land von einem mutierten Coronavirus heimgesucht. Für viele Britinnen und Briten werden es aufgrund verschärfter Corona-Massnahmen einsame Weihnachten.
Was liegt da näher, als die Flucht in die Schweizer Berge, wo Landsmann George Michael einst «White Christmas» schmachtete? Und, zumindest für britische Verhältnisse, ein geradezu sanftes Corona-Regime herrscht? Denkste: Am Dienstag kam die Hiobsbotschaft für britische Schutzsuchende – diesmal vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit.
Das BAG liess verlauten, dass britische Touristen in der Schweiz rückwirkend zehn Tage in Quarantäne müssen. Grund: das mutierte Coronavirus, das sie aus ihrer Heimat mitgeschleppt haben könnten. Wer das Hotel oder die Ferienwohnung verlässt, dem droht eine Busse von 10'000 Franken.
Heute informierte das BAG britische Touristen in der Schweiz mit einer Push-Nachricht aufs Handy über die eigens für sie entworfenen Corona-Regeln. So mancher Gast aus dem Vereinigten Königreich dürfte sein Gesicht tief im Kopfkissen vergraben haben.
Ein Brite, der davon unbetroffen ist, ist Haig Simonian. Der schweizerisch-britische Doppelbürger weilt derzeit in Zermatt und will gleich nach dem morgendlichen Interview mit SRF News seine Skischuhe schnüren. Unter den argwöhnischen Blicken von Herr und Frau Schweizer?
Stellen Sie sich vor, Sie landen in Genf oder Zürich, freuen sich auf das Skifahren, tolles Wetter, Gemütlichkeit… Und erfahren dann an der Hotelrezeption, dass Sie im Zimmer bleiben müssen.
Mit seinen hervorragenden Deutschkenntnissen outet sich der ehemalige Schweiz-Korrespondent der «Financial Times» nicht als Brite. Das könnte sich ändern, sobald Frau und Tochter in Zermatt eintreffen. «Meine Tochter hat vorgeschlagen, dass wir statt Englisch lieber Deutsch oder Französisch miteinander sprechen sollten, um keine neugierigen Blicke auf uns zu ziehen», witzelt der freischaffende Journalist.
Schöne Bescherung
Eine Verbannung ins Hotelzimmer müssen die Simonians nicht befürchten: Sie leben seit langem in Zürich. «Ich würde mich aber amüsieren, wenn ich eine SMS vom BAG auf mein Schweizer Handy bekommen würde.»
Viele seiner Landsleute dürften geschockt reagieren. Denn die Weisung könnte an vielen britischen Touristen vorbeigegangen sein, mutmasst Simonian. «Ich glaube, die meisten haben keine Ahnung von dieser ganzen Quarantäne.»
Der Journalist leidet mit seinen Landsleuten mit. «Stellen Sie sich vor, Sie landen in Genf oder Zürich, freuen sich auf das Skifahren, tolles Wetter, Gemütlichkeit… Und erfahren dann an der Hotelrezeption, dass Sie im Zimmer bleiben müssen.»
Für britische «Quarantäne-Touristen» fände damit ein Jahr zum Vergessen einen krönenden Abschluss in den Schweizer Bergen. «Es war ein Annus horribilis, besonders für diejenigen, die in London und im Süden Englands wohnen.» Das bevölkerungsreiche Gebiet wurde mit einem strengen Shutdown belegt.
«Premierminister Boris Johnson hat Weihnachten storniert», fasst der Exilbrite die Stimmungslage in seiner alten Heimat zusammen. Doch Simonian hat auch Verständnis für das harte Corona-Regime. Auch für dasjenige von Bundesbern. «Ein Land muss sich verteidigen, wenn diese Corona-Mutation so ansteckend ist wie vermutet.»
Ob seine Landsleute vom Dorfpolizisten oder Seilbahnchauffeur zurück ins Hotel verfrachtet werden, wenn sie aus dem Hotelzimmer ausbüchsen, weiss aber auch er nicht.