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Überlastete Netze Videos auf einen Viertel ihrer Grösse schrumpfen

Streaming Dienste bringen das Internet an seine Grenzen. Eine neue Komprimierung könnte die Netze entlasten.

Unser Hunger nach bewegten Bildern aus dem Internet hat Konsequenzen: Auf dem Breitbandnetz der Swisscom stammen 75 Prozent der Daten von Streaming-Diensten wie Netflix, YouTube oder Swisscom TV.

Die Tendenz ist stark steigend und das, obwohl die Videos stark komprimiert sind, ihre Datenmenge also vor der Übertragung verringert wurde.

Grafik, die den steilen Anstieg des Datenverbauches illustriert.
Legende: Videodaten belasten die Netze wie kein anderes Medium. Swisscom

Heute sind hochqualitative Videos in 4K-Auflösung (UHD) keine Seltenheit, bereits stehen die ersten 8K-Fernseher in den Geschäften. Das hat Auswirkungen: Ein UHD-Video ist viermal grösser als ein HD-Video, ein Film in 8K-Auflösung achtmal grösser. Der Netzwerkausrüster Cisco schätzt, dass sich die Menge der Videodaten zwischen 2017 und 2022 vervierfachen wird.

Nun hat das Frauenhofer Heinrich-Herz-Institut mit dem neuen Komprimierungsstandard H.266 eine Lösung vorgestellt, die helfen kann, das Problem der überlasteten Netze zu entschärfen.

Filmsequenzen in Einzelteile zerlegen

Musik oder Filme komprimieren ist wie Päckli-Suppe produzieren: Um die Suppe für den Transport leichter zu machen, entzieht der Hersteller das gesamte Wasser bis nur noch ein Pulver übrigbleibt. Der Konsument kehrt den Prozess um, indem er Wasser wieder hinzufügt.

Beim Komprimieren analysiert raffinierte Software, ein sogenannter Codec, einerseits die Unterschiede zwischen den Bildern einer Sequenz und andererseits den Aufbau der einzelnen Bilder. Der Codec beseitigt überflüssige Informationen und Details, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind.

Spricht zum Beispiel ein Protagonist vor einem statischen Hintergrund in die Kamera, legt die Software die Daten für den Hintergrund einmal ab und konzentriert sich dann über längere Zeit nur noch auf die Veränderungen im Bild, also die Bewegungen der Person, die Lippen beim Sprechen oder die Mimik.

Während wir entspannt eine Serie geniessen, läuft im Hintergrund auf unseren Geräten also ein komplexer Prozess ab: Der Codec setzt aus unzähligen Bildteilen und mithilfe einer Anleitung wieder einen ganzen Film zusammen.

Der neue Codec H.266 schrumpft Bewegtbilder noch raffinierter und deshalb effizienter als die Vorgängerversionen. Videos, die mit der neusten Version komprimiert wurden, sind im Vergleich zum älteren H.264 nur noch ein Viertel so gross – bei gleichbleibender Qualität. Statt 1 Gigabyte bei H.264 müssen wir nur noch 250 Megabyte herunterladen.

Wer macht das Rennen?

Das Fraunhofer Institut HHI gehört zur Weltspitze bei der Komprimierung von Mediendaten. Vor 20 Jahren haben die Wissenschaftler aus Berlin den MP3-Standard für Musik veröffentlicht, ein paar Jahre später folgte der Video-Codec H.264.

Dieser Komprimierungsstandard gehört heute noch zu den meistgenutzten der Welt und das, obwohl der Nachfolger H.265 von 2013 stärker komprimieren könnte. Doch das Lizenzmodell für H.265 ist so komplex, dass industrielle Grössen wie Google oder Netflix darauf verzichten und lieber ihren eigenen lizenzfreien Codec einsetzen, den AV1, auch wenn der weniger stark schrumpfen kann.

Das Fraunhofer Institut hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und für H.266 das Lizenzmodell angepasst. Ob der Codec gleich erfolgreich sein wird wie sein Grossvater H.264, wird sich erst in ein paar Jahren zeigen. So lange wird es dauern, bis der neue Standard in einem Chip integriert ist und dann den Weg in unsere Geräte gefunden hat.

SRF 4 News, 15.10.20, 08:15 Uhr

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