Wer den Begriff «Zufall» hört, denkt vielleicht zuerst an Würfel, Roulette oder Zahlenlotto. Weniger bekannt ist, dass Zufallszahlen eine wichtige Rolle bei der Verschlüsselung spielen und somit bei der Sicherheit im Internet.
Zufallszahlen bestimmen weitgehend, wie sicher die Verschlüsselung ist, auf die wir uns verlassen – nicht nur beim E-Banking. Heute ist praktisch jede Webseite verschlüsselt. Doch elektronische Rechner haben ein Problem mit dem Zufall.
Zuverlässig, aber unflexibel
«Wenn ich dem Computer eine Anleitung gebe, dann macht er das», meint Robert Grass, Professor für Chemie an der ETH Zürich. Doch laute die Anweisung an die Maschine «generiere mir eine Zufallszahl», dann sei der Computer überfordert.
Computer befolgen einfach stur, was man ihnen vorgibt. Improvisieren oder raten ist ihnen fremd. Für richtige Zufallsentscheide müssen Computer deshalb auf ein externes Gerät zugreifen, zum Beispiel auf eine Lava-Lampe oder einen Geigerzähler . Auch Bilder von Galaxien würden als Quellen für den Zufall verwendet, erzählt Robert Grass.
In der Natur hingegen spielt der Zufall eine wichtige Rolle: «In der Chemie beschäftigen wir uns oft mit Zufälligkeit», so Robert Grass, zum Beispiel mit den Teilchenbewegungen der Luft. Doch wirklich beobachten liessen sich diese Zufälle nicht.
Mit DNA würfeln
Eine Ausnahme bilden die Moleküle der DNA, denn die lassen sich einzeln lesen und somit beobachten. In einem wissenschaftlichen Artikel hat Robert Grass gezeigt, wie man mit DNA eine gigantische Menge an Zufallszahlen generieren und diese auch noch speichern kann.
Dazu veränderte der Chemiker die DNA-Synthese, ein Verfahren aus der Genetik, mit dem man künstlich DNA-Stränge erzeugen kann. Die vier elementaren Basen, die den genetischen Code ausmachen, werden dabei von einem Gerät nach einer Vorgabe aneinandergereiht.
Beim «DNA würfeln» folgt die Aneinanderreihung nicht nach einem Plan, sondern zufällig. Das Resultat: Ein paar Mikrogramm DNA, die mehrere Petabytes an Zufallszahlen enthalten, schätzt Robert Grass – eine unvorstellbar grosse Zahl. Auslesen kann man die Daten wiederum mit Verfahren aus der Genetik.
Um sicher zu sein, dass der chemische Prozess nicht gewisse Basen bevorzugt oder sich während der Synthese Muster eingeschlichen haben, hat der Wissenschaftler die erzeugten Zahlenreihen mit einer speziellen Software der amerikanischen Standardisierungsbehörde NIST überprüft.
Auch mit Komprimierungsprogrammen finde man heraus, ob eine grosse Zahlenabfolge zufällig ist oder ob sich ein Muster dahinter verbirgt, erklärt der Wissenschaftler. Ist ein File nach der Komprimierung gleich gross wie zuvor, dann enthält es auch keine Regelmässigkeit.
Ist der DNA-Würfel praxistauglich?
Robert Grass hat mehrere Startups mitbegründet, die von ihm entwickelte Technologien auf den Markt bringen. Beim DNS-Würfel jedoch stand nicht die praktische Anwendung im Vordergrund: «Ich komme aus dem Chemie-Ingenieurwesen. Wir wollen die Natur für etwas nutzen, dazu müssen wir die Zufälligkeit loswerden.» Mit dem DNA-Würfel stellt der Wissenschaftler dieses Prinzip für einmal auf den Kopf – primär aus Faszination für den Zufall und nicht, weil er ein Problem der Informatik lösen wollte.
Vielleicht findet sich aber doch noch eine Anwendung in der Praxis: «Ich habe noch ein paar Ideen, wie man das alles weiterentwickeln könnte», meint der Tüftler.