Es ist ein politisches Grossprojekt im Kanton Aargau: Der Grosse Rat hat am Dienstag die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden und den Finanzausgleich unter den Gemeinden neu geregelt.
Das Wichtigste in Kürze
- Einige Aufgaben übernimmt neu vollständig der Kanton (z.B. öffentlicher Verkehr, Lehrerlöhne)
- Die neuen Aufgaben kosten den Kanton jährlich 70 Millionen Franken mehr
- Der Kanton erhöht deshalb den Steuerfuss – im Gegenzug senken die Gemeinden ihre Steuerfüsse
- Für besonders teure Sozialhilfefälle gibt es neu einen Fonds, in den alle Gemeinden einzahlen
- Der Finanzausgleich unter den Gemeinden wird nach Ressourcen (Steuerkraft) und Lasten (Zahl der Schüler, Sozialhilfequote, Fläche der Gemeinde) berechnet
- Gemeinden mit sehr tiefen Steuerfüssen erhalten kein Geld mehr aus dem Finanzausgleich
SVP gegen das Projekt
Mit Ausnahme der SVP stellten sich alle Parteien hinter das Vorhaben. Der Grosse Rat lehnte den Antrag der SVP ab, die Vorlage zurückzuweisen. Man wolle nicht, dass die Gemeindelandschaft umgepflügt werde, hiess es bei der SVP. Kleine Gemeinden würden letztlich zu Fusionen gezwungen.
Regierungsrat Urs Hofmann (SP) sagte, es handle sich um einen Kompromiss. Der neue Finanzausgleich orientiere sich weit besser als bisher an den Lasten der Gemeinden und sei gut steuerbar.
Die starken Gemeinden würden zur Finanzierung des Ausgleichs beitragen, ohne selbst übermässig belastet zu werden. Die Gemeindelandschaft werde nicht umgepflügt, stellte Hofmann klar.
Kantonssteuern steigen, Gemeindesteuern sinken
Nach den Entscheiden des Grossen Rates übernimmt der Kanton neu zahlreiche Aufgaben vollständig, andere werden den Gemeinden übertragen.
Aufgabenteilung Kanton-Gemeinden
Bereich | Kosten für den Kanton |
---|---|
Öffentlicher Verkehr | + 63 Millionen |
Personalkosten Volksschule | + 35 Millionen |
Materielle Sozialhilfe (neu bei den Gemeinden) | - 28 Millionen |
Die Aufgabenverschiebungen führen beim Kanton unter dem Strich zu Mehrausgaben von rund 70 Millionen Franken. Das entspricht rund vier Steuerprozenten. Der Grosse Rat beschloss deshalb einen so genannten Steuerfussabtausch.
Der Kanton erhöht seinen Steuerfuss um drei Prozentpunkte, die Gemeinden senken ihre jeweiligen Steuerfüsse um drei Prozentpunkte. Der Regierungsrat hatte ursprünglich einen Steuerfussabtausch von vier Prozent vorgeschlagen. Die SVP wollte auf diesen Abtausch ganz verzichten. Das Parlament lehnte diesen Antrag aber klar ab.
Ausgleich hoher Sozialkosten
Bei einem Sozialhilfefall, der pro Jahr mehr als netto 60'000 Franken kostet, wird der Mehrbetrag von allen Gemeinden gemeinsam getragen. Dazu soll ein Fonds gegründet werden, in den alle Gemeinden im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl einzahlen.
Davon profitieren unter anderem Mägenwil und Rupperswil. Diese Gemeinden müssen für die fürsorgerische Unterbringung von zwei Straftätern, die gemäss Jugendstrafgesetz wegen Mordes verurteilt wurden, Kosten von mehr als 200'000 Franken pro Jahr tragen. Die Gemeinden, die letztlich zufällig so hohe Kosten schultern müssen, werden nun entlastet.
Finanzausgleich auf neuen Füssen
Bei der Reform des Finanzausgleichs zwischen den 213 Gemeinden beschloss der Grosse Rat, dass Gemeinden nicht mehr in den Genuss von Finanzausgleichszahlungen kommen, deren Steuerfuss um fünf Prozent oder mehr unter dem Mittelweg der Gebergemeinden liegt.
Beim neuen Finanzausgleich unter den Aargauer Gemeinden werden die Ressourcen- und die Lastenseite der Gemeinden separat betrachtet. Es gibt bestimmte Kriterien für das Geben und Nehmen:
- Ressourcen: Gemeinden mit hohen Steuererträgen (über dem kantonalen Durchschnitt) bezahlen in den Finanzausgleich ein. Gemeinden mit tiefen Steuererträgen erhalten Geld.
- Lasten: Gemeinden mit vielen Schülerinnen (Anteil an Gesamtbevölkerung), mit vielen Sozialhilfebezügern (Sozialhilfequote) und mit grosser Fläche erhalten Geld, Gemeinden mit tiefen Zahlen erhalten weniger oder nichts
Der Grosse Rat hiess das Gesetz über den Ausgleich der Aufgabeverschiebungsbilanz mit 96 zu 32 Stimmen gut. Das Gesetz über den Finanzausgleich zwischen den Gemeinden wurde mit 96 zu 30 Stimmen beschlossen.