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Prozess Kindstötung in Baden Wer erkennt Misshandlungen bei Kindern?

Ein Stiefvater soll sein zweijähriges Kind monatelang misshandelt und dann getötet haben. Der Prozess vor dem Bezirksgericht Baden sorgt für Aufsehen. Und die Frage stellt sich: Warum merkt das niemand?

Ein Kleinkind wird gemäss Anklage monatelang misshandelt. Die Familie wohnt in einem Mehrfamilienhaus, das Kind besucht eine Kindertagesstätte. Trotzdem schalten sich die Behörden nie ein, verhindern auch nicht den Tod des Kindes mit nur zwei Jahren.

Die Frage, die sich Beobachter stellen: Wie kann das passieren? Was sagt ein Kinderarzt, der in der Regel als Erster mit Fällen von Misshandlungen konfrontiert ist, zu dieser Problematik? Fragen an den Co-Präsidenten des Aargauer Kinderärztevereins, Dr. Stephan Menzinger.

SRF: Wie oft kommen zu Ihnen Kinder in die Praxis, bei denen ein Verdacht auf körperliche Misshandlung besteht?

Menzinger: Mit dem Grund «Misshandlung» wird kaum je ein Kind in die Praxis gebracht. Wenn Eltern ein misshandeltes Kind bringen, dann bringen sie es oft unter einem Vorwand. Sie sagen, es sei die Treppe hinuntergestürzt oder es habe sich an der Herdplatte verbrannt.

Oft sind es aber Hinweise, die man von Nachbarn, Bekannten oder Verwandten telefonisch erhält. Oder dass ein Lehrer sagt, dass ein Kind häufig in der Schule fehlt oder dass ihm blaue Flecken aufgefallen sind. Dann muss man mit diesen Leuten besprechen, was man in dieser Situation machen kann.

Zur Person

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Legende: zvg/villavesta.ch

Dr. med. Stephan Menzinger ist Kinderarzt in Rheinfelden und leitet als Geschäftsführer das Kinderärztezentrum «Praxis Villa Vesta». Zuvor arbeitete er als Kinderarzt unter anderem in den Kantonsspitälern Basel, Aarau und Winterthur. Er ist Co-Präsident des Aargauischen Kinderärztevereins.

Können Sie als Arzt in diesem Fall die Eltern quasi «aufbieten» für eine Konsultation?

Das passiert eher selten. Man muss sich überlegen, ob das Kind zum Beispiel eine Vorsorgeuntersuchung zugute hat, welche nicht gemacht wurde. Dann ruft man an und sagt, dass diese Untersuchung offen sei und man gerne einen Termin anbieten würde. Wir müssen also einen Grund finden.

Wenn Sie nun das Kind gesehen haben und sich der Verdacht auf Misshandlung bestätigt. Konfrontieren Sie dann die Eltern damit?

Das wird fast nie so gemacht. Damit würde die Situation in der Regel entgleisen. Es hängt natürlich davon ab, wie schwer zum Beispiel die Verletzungen des Kindes sind. Man wird – allenfalls unter anderen Vorwänden – eine Überweisung an ein Spital veranlassen, damit dort die Situation in Ruhe angegangen werden kann.

Das heisst also, dass die Kinderschutzgruppe im Spital informiert wird?

In der Regel informieren wir den diensthabenden Arzt über den Verdacht. Wenn man die Familie und die Hintergründe genauer kennt, dann muss man natürlich diesen Arzt sogar explizit vorwarnen.

Sie können ein Kind ja nicht in jedem Fall an ein Spital überweisen. Es gibt aber auch noch die so genannte «Gefährdungsmeldung» an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb). In welchen Fällen machen Sie das?

Ich habe das in meinen 15 Jahren in dieser Praxis bisher zweimal machen müssen. Das waren Situationen, in denen der Verdacht sehr gross war und die Familie nicht «geführt» werden konnte.

Zudem Situationen, in denen es niemanden sonst gab, der konkrete Beweise gehabt hätte. Eine Gefährdungsmeldung bei der Kesb kann aber jeder machen, also auch der Nachbar oder Verwandte.

Für Eltern von Kleinkindern sind alle Angebote wie Hebamme, Säuglingsberatung etc. freiwillig. Es gibt also in den ersten Lebensjahren eines Kindes überhaupt keine «behördlichen» Kontrollen?

Das ist richtig. Es wird ja auch niemand dazu gezwungen, regelmässig zum Kinderarzt, zu den Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Wenn man will, kann man jegliche Kontrollen umgehen bis zum Kindergartenbesuch, das ist so.

Das Gespräch führte Stefan Ulrich.

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