SRF News: Max Baumann, haben Sie die Perspektive eines Lehrers bewusst gewählt?
Max Baumann: Ja, meistens schreibt man über die Erinnerungen eines Zöglings oder aus der Sicht eines Heilpädagogen auf die Erziehungsmassnahmen von damals. Die Perspektive des Lehrers ist eine andere, eine Innensicht, von einem, der mitgearbeitet hat.
Ich habe schon mehrere Bücher geschrieben. Aber dass ich nicht mehr schlafen konnte, das habe ich noch nie erlebt.
Der Alltag im Thurhof war von der Arbeit auf dem Feld oder im Stall geprägt. Die Knaben mussten auf dem Landwirtschaftsbetrieb mithelfen und gingen vor allem im Winter in die Schule. Jakob Hutter hat selbst immer auf dem Acker mitgeholfen, sich als Lehrer immer auf die Seite der Knaben gestellt. Er hat sich auch gegen die Regeln der Heimleitung gestellt.
Der Lehrer Jakob Hutter schrieb seine persönlichen Erlebnisse auf, welche einen grossen Teil Ihres Buches aus machen. Wie wichtig waren die persönlichen Notizen für Sie?
Sehr wichtig, meistens kennt man nur behördliche Texte. Er und auch das übrige Personal boten mit ihren Beschreibungen eine Innensicht des Heimalltags. Solche Texte sind für uns Historiker eher selten.
Sie kannten Jakob Hutter auch persönlich. Hatte das einen Einfluss auf Ihre Arbeit?
Natürlich hat man immer die Person im Hintergrund, aber es hatte keinen direkten Einfluss. Es war mehr das Thema, welches mich beschäftigt hat. Ich habe das noch nie erlebt. Die Behandlung dieser Knaben hat mich bis in meine Träume verfolgt.
Das Gespräch führte Rebecca Dütschler.
Thurhof
Im Thurhof lebten zwischen 1920 und 1940 im Durchschnitt ca. 45 Knaben. Diese waren zwischen neuen und achtzehn Jahre alt und galten als schwererziehbar. Jakob Hutter war zwischen 1932 und 1937 Lehrer dort. Danach unterrichtete er in Rorschach, wo er bis zu seine Pensionierung blieb. 1996 verstarb Jakob Hutter im Alter von 84 Jahren. |