Auf den ersten Blick ist der «Chläb» oberhalb von Auenstein im Kanton Aargau ein normaler Campingplatz: Wohnwagen, Schwimmbad, Beachvolleyballfeld, Tennisplatz, Bistro. Auf den zweiten Blick fällt auf: Wer hier campiert, hat nichts an.
Der «Chläb» ist ein Treffpunkt der Naturisten, und die sind gerne so, wie Gott sie schuf: nackt. Ob sie Pétanque spielen oder auf dem Liegestuhl ein Buch lesen: Naturisten machen es am liebsten ohne Stoff am Körper.
Seit 1952 haben die Naturisten in Auenstein ihr eigenes Gelände, wo sie unter sich sein können. Wer nicht Mitglied ist, hat keinen Zugang zum «Chläb». Ein Zaun aus Betonelementen und Holzbrettern schützt die Nackten vor neugierigen Blicken und verhindert, dass sich Bekleidete gestört fühlen könnten.
Naturisten leben nackt, aber zeigen sich nicht nackt.
In der Anfangszeit haben Spanner Gucklöcher in den Zaun gebohrt, doch das ist lange her. Heute sorgt der grösste Verein im Dorf nicht mehr für Gesprächsstoff.
Knapp 300 Mitglieder zählt der Naturistenverein Auenstein. Es sind Leute aus allen Altersklassen und Berufen. Wie zum Beispiel Hansruedi. Nach einer Operation mied er andere Leute, ging nicht mehr in die öffentliche Badi. Dann erinnerte er sich, dass die Naturisten sehr tolerant sind – so kam er auf den «Chläb».
Der Umgang miteinander ist ehrlicher, niemand kann etwas verstecken
Nach der Operation habe er hier einen Ort gefunden, wo er so sein könne, wie er sei, sagt Hansruedi: «Man kennt einander, man trinkt zusammen einen Kaffee, sitzt zusammen und plaudert – für mich ist das wie eine grosse Familie».
Den Naturisten ist wichtig, nicht mit Nudisten oder FKK-Anhängern in den gleichen Topf geworfen zu werden. Naturisten wollen ihre Nacktheit anderen Menschen nicht aufdrängen, ihren Körper nicht zur Schau stellen, kein Ärgernis erregen. So ist etwa Nacktwandern in der Öffentlichkeit gar nicht ihr Ding.
Wer über den Campingplatz geht, sieht schwabblige Bäuche, Hängebrüste und schrumplige Haut. Für seinen Körper scheint sich hier niemand zu schämen. «Das Wichtigste im Naturismus ist, sich selber so zu akzeptieren, wie man ist», sagt Vereinspräsident Toni Möckel: «Wenn man an sich selber Kurven und Rundungen hat, die einem nicht gefallen, ist es auch schwierig, das gegenüber anderen zu akzeptieren».
Naturisten akzeptieren sich so, wie sie halt sind, begegnen sich mit Respekt. «Kleider machen Leute», sagt das Sprichwort. Auf dem «Chläb» ob Auenstein gilt das definitiv nicht.
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