Während rund drei Monaten leben junge Patientinnen und Patienten auf der Therapiestation des Universitäts-Kinderspitals Zürich zusammen. Die Abteilung hat insgesamt dreizehn Plätze. Hauptsächlich werden Jugendliche mit Essstörungen behandelt. «Bis zu drei Viertel sind jeweils junge Frauen mit Magersucht», schätzt Oberärztin Anna Tholen.
Essstörungen sind in der Schweiz laut Experten keine seltenen Erkrankungen. Rund 3.5 Prozent der Bevölkerung – also fast jede 30. Person – erkrankt in ihrem Leben an einer schweren Essstörung wie beispielsweise Magersucht. Das zeigt eine Studie der Universität Zürich im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit.
Obwohl auch Männer an Essstörungen leiden, treten sie bei Frauen rund viermal häufiger auf. Warum jemand eine solche Krankheit entwickelt, hängt laut Experten und Studie von verschiedenen Faktoren wie etwa der persönlichen Geschichte oder der Veranlagung ab. Auch die Gesellschaft spielt eine Rolle.
«Der gesellschaftliche Druck, schlank zu sein und sich über gutes Aussehen zu definieren, wirkt bei Frauen stärker», nennt Dagmar Pauli einen der Gründe. Sie ist Präsidentin bei der Schweizerischen Gesellschaft für Essstörungen., Link öffnet in einem neuen Fenster
Gerade Magersucht beginnt laut Studie häufig bereits bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. «Jugendliche haben oft ein tiefes Selbstwertgefühl. Sie müssen sich zuerst finden», so Expertin Pauli. In dieser Zeit seien sie besonders anfällig, durch Schönheitsbilder in den sozialen Medien beeinflusst zu werden.
Patientinnen werden immer jünger
Obwohl genaue Zahlen noch fehlen, beobachtet die Schweizerische Gesellschaft für Essstörungen in Kliniken, dass zunehmend bereits 10- bis 13-Jährige an Magersucht erkranken. Sie geraten rasch in einen gefährlichen Zustand. Wichtig sei es deshalb, Betroffene möglichst früh zu therapieren.
Auf der psychosomatisch-psychiatrischen Therapiestation des Kinderspitals Zürich gibt es Patientinnen, die erst kürzlich schwer erkrankt sind. Andere Magersüchtige haben bereits mehrere Therapiestationen hinter sich. Es sind Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren. Nicht alle Jugendliche haben Essstörungen, es werden auch andere Krankheiten wie chronische Schmerzen behandelt.
Der Alltag auf der Abteilung ist zeitlich streng geregelt – von der internen Schule über die Mahlzeiten bis hin zu gemeinsamen Spielabenden oder Therapien. In der Gemeinschaft fühlen sich viele Jugendliche von Gleichgesinnten verstanden.
Es motiviert, wenn man sieht, dass man nicht alleine ist mit seinen Problemen.
Im Alltag gibt es aber auch Konflikte, schildern Betroffene und Pflegerinnen: Es kommt vor, dass sich Jugendliche vergleichen. In einen Wettkampf treten, wer beispielsweise mehr Kalorien verbrennen könne. Das müsse man ansprechen: «Wir wollen erreichen, dass sich die Jugendlichen auf ihre eigene Genesung konzentrieren. Wenn sie sich einen Wettkampf liefern, hilft das niemandem.»