Jahrelang krampfte der Ehemann von Mina Hasani auf Baustellen in der Schweiz. Kurz nach der Pensionierung ist er im Kosovo gestorben. Aber ohne ein Sozialversicherungsabkommen wird an Mina Hasani keine Witwenrente in den Kosovo überwiesen: Sie lebt praktisch mittellos in dem Haus, das ihr Mann für den gemeinsamen Ruhestand baute. «Diese ganze Sache mit der Rente hatte Einfluss auf unser Leben: Meine Kinder verloren ihre Chance auf eine gute Ausbildung, weil wir kein Geld mehr für die Schule hatten», sagt Hasani.
Debatte um «Scheininvalide» in der Schweiz
In den 1970er Jahren lösten die Kosovaren die Italiener als Gastarbeiter in der Schweiz ab: Für das damalige sozialistische Jugoslawien war die Arbeitsmigration der ärmeren Bevölkerung aus dem Süden des Landes nach Westeuropa eine Möglichkeit, den sozialen Frieden zu wahren. Für die Unternehmen in der Schweiz waren die Kosovaren willkommene Arbeitskräfte. Mit den Krisen und Kriegen der 1990er Jahre folgten junge Männer, die vor dem Militärdienst flüchteten.
Heute gehören die Kosovaren zu einer der grössten Migrantengruppen der Schweiz. Viele von ihnen sind Schweizer geworden. Doch die Debatte um sogenannte Scheininvalide bewirkte Skepsis: In Einzelfällen kam es zu Missbräuchen des schweizerischen Sozialsystems. Dazu misstrauten die Schweizer Behörden den Institutionen des jungen Staats Kosovo und kündigten 2010 das Sozialversicherungsabkommen aus jugoslawischer Zeit.
«Neues Abkommen beseitigt Unrecht»
In der Folge zahlte die Schweiz keine Renten mehr an Personen im Kosovo aus. Wer seine AHV monatlich beziehen will, muss in der Schweiz bleiben. Betroffen sind potenziell 50'000 Rentner, die deshalb nach der Pensionierung nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Dazu kommen Härtefälle wie Mina Hasani und ihre Kinder, die ihre Witwen- und Waisenrente nicht erhalten.
Nationalrätin Barbara Gysi (SP/SG) hat sich hinter den Kulissen für die Rechte der kosovarischen Rentenbezüger eigesetzt: «Das neue Abkommen beseitigt ein grosses Unrecht.»
Heute haben der Schweizer Botschafter Jean-Hubert Lebet und der kosovarische Sozialminister Skender Reçica das neue Sozialversicherungsabkommen unterzeichnet.
«Ich habe Hoffnung in die Schweiz»
Der Staat Kosovo steht dabei auf dem Prüfstand: Das Abkommen enthält eine Missbrauchsklausel. Im Fokus steht besonders das Zivilstandswesen in den Gemeinden: Damit zum Beispiel Todesfälle rechtzeitig registriert werden. Der Sozialminister ist sich der Verantwortung bewusst: «Das Abkommen sieht eine Überprüfung der Beiträge und Arbeitserfahrung vor. Damit soll jeder Raum für Missbrauch ausgeschlossen werden.»
Witwe Mina Hasani schöpft neue Hoffnung. Ihr Mann hat über seinen Lohn mehr als dreissig Jahre lang in die Schweizer Sozialwerke einbezahlt: «Ich wünsche mir nur das Geld, das uns zusteht. Mein Mann gab sein Leben, weil er in der Schweiz so hart gearbeitet hat.» Jetzt muss das neue Sozialversicherungsabkommen noch von den Parlamenten der beiden Länder unterzeichnet werden.