Laut der ersten SRG-Trendumfrage zum Abstimmungssonntag vom 28. Februar stösst der Bau eines zweiten Gotthard-Strassentunnels auf breite Zustimmung. Wäre Mitte Januar entschieden worden, hätten 64 Prozent der Stimmenden sicher oder eher Ja gesagt. Besonders hoch ist die Zustimmung laut der vom Forschungsinstitut gfs.bern durchgeführten Umfrage im Tessin.
Parteiparolen werden unterstützt
Die Stimmabsichten entsprechen derzeit mehrheitlich den von den Parteien gefassten Parolen. Währenddem sich die Sympathisanten aller grossen bürgerlichen Parteien zu 68 Prozent und mehr bestimmt oder eher für den Bau eines zweiten Gotthardtunnels aussprechen, ist die Zustimmung bei der linken Basis gering.
Lediglich 36 Prozent der SP-Sympathisanten würden derzeit sicher oder eher ein Ja in die Urne legen. Bei den Grünen sind es gar nur 28 Prozent. Noch Unentschiedene gibt es in der Gotthard-Frage auch auf linker Seite kaum. Die Gegner haben sowohl im SP- als auch im grünen Lager bereits jetzt eine absolute Mehrheit.
Doris Leuthard als Trumpf der Befürworter
Dass diese Ablehnung insgesamt jedoch keine Mehrheit findet, entspricht den Erfahrungswerten grosser Infrastrukturvorlagen. Solche erführen in der Regel Zustimmungswerte von 60 Prozent und mehr, sagt gfs.bern-Projektleiterin Martina Mousson.
Von grosser Bedeutung für die breite Zustimmung sei in diesem Fall nicht zuletzt Verkehrsministerin Doris Leuthard, meint Politologe Claude Longchamp: «Mit ihr vertritt die glaubwürdigste bürgerliche Politikerin in der Öffentlichkeit ein Ja.» Dass ihr Versprechen, auch mit zwei Röhren in Zukunft nur jeweils eine Spur für den Verkehr freizugeben, von den Gegner öffentlich in Zweifel gezogen wird, tut diesem Vertrauen offensichtlich kaum einen Abbruch.
Mit entscheidend für die breite Zustimmung zur Vorlage ist laut Longchamp ausserdem, dass es im Parlament ein klares und gemeinsames bürgerliches Votum für den Bau des zweiten Tunnels gegeben habe. Das sei selbst in verkehrspolitischen Fragen in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen.
Stimmbürger wollen das Tessin nicht «abschneiden»
Am stärksten fiel bei der Meinungsbildung bisher das Argument ins Gewicht, das Tessin würde bei der Sanierung des bestehenden Tunnels ohne zweite Röhre für Jahre vom Rest der Schweiz abgeschnitten. 68 Prozent der Befragten sind sicher oder eher der Meinung, man könne sich das nicht leisten. Das stärkste Argument der Gegner ist bisher der Alpenschutz. 57 Prozent sind eher oder sicher mit dem Vorwurf einverstanden, die Vorlage laufe dem Schutz der Alpen zuwider.
«In beiden Fragen wogt die öffentliche Meinung hin und her, die Argumente sind noch nicht eindeutig», sagt Longchamp. In der öffentlichen Debatte sei die Tessin-Frage im Moment jedoch die gewichtigere als jene nach dem Alpenschutz.
Zusätzlich profitieren die Befürworter im Moment davon, dass die Erhöhung der Sicherheit durch den Bau einer zweiten Gotthard-Röhre kaum bestritten ist. Entsprechend stimmen 88 Prozent der Befragten dieser Argumentation sicher oder eher zu, also selbst solche, die die Vorlage aus anderen Gründen ablehnen. «Kein Mensch kann sich eigentlich jenseits der Sicherheitsfrage positionieren», sagt Longchamp.
Kein stichhaltiges Argument scheint aus Sicht der Mehrheit dagegen die Verbesserung der Stau-Situation am Gotthard zu sein. Lediglich 43 Prozent der Befragten glauben, dass die regelmässigen Staus mit dem Bau einer zweiten Röhre verschwinden würden. Ganz sicher sind sich diesbezüglich gar nur gerade 16 Prozent.
Tessin hat sich so gut wie entschieden
Besonders hoch fällt die Zustimmung denn auch unter den Direktbetroffenen aus. Von den befragten Autobesitzern befürworten zum jetztigen Zeitpunkt 64 Prozent und mehr den Bau eines zweiten Strassentunnels durch den Gotthard.
Eindeutig scheint die Sache im Tessin zu sein. In der Regel würden die Meinungen zu Abstimmungsvorlagen hier erst relativ spät gemacht, sagt Politologin Mousson. Nicht so in diesem Fall: Dem Bau eines zweiten Gotthard-Strassentunnels wollen schon zum jetzigen Zeitpunkt 54 Prozent der befragten Tessiner sicher zustimmen. Hinzu kommen 22 Prozent, die die Zweite Röhre eher befürworten. Lediglich 17 Prozent der Befragten in der italienischsprachigen Schweiz sprechen sich bestimmt oder eher gegen die Vorlage aus.
Die geringste Zustimmung erfährt die Vorlage in der französischsprachigen Schweiz. Auf vergleichsweise tiefe 53 Prozent beläuft sich hier der Anteil jener, die sicher oder eher für die zweite Röhre stimmen wollen. Allerdings haben sich in der Westschweiz mit 23 Prozent auch vergleichsweise viele der Befragten noch keine Meinung gebildet. In der Deutschschweiz machen die Unentschlossenen lediglich drei Prozent aus, im Tessin sieben Prozent.
Für die Gegner wird es schwer
Die Meinungsbildung ist bezüglich der Gotthard-Vorlage bereits weit fortgeschritten. Lediglich 7 Prozent der Befragten gaben in der Trendumfrage an, noch unentschieden zu sein.
Um die Vorlage doch noch zum Scheitern zu bringen, müsste den Gegnern in den verbleibenden fünf Wochen einiges in die Hände spielen, meint Claude Longchamp: «Die befürwortende Allianz müsste sichtbar auseinanderfallen». Beispielsweise indem Kantonalparteien in betroffenen Regionen oder bürgerliche Parlamentarier sich gegen die Parolen der Mutterpartei stellten.
«Davon sieht man im Moment jedoch wenig», so Longchamp. Der Block der Befürworter sei derzeit relativ geschlossen, was sich zugunsten der Vorlage auswirke.