Mit der Änderung des Arbeitsgesetzes soll es Tankstellenshops an Hauptverkehrswegen und Autobahnen erlaubt sein, das gesamte Sortiment während der ganzen Nacht anbieten zu können. Bislang gilt eine Verkaufseinschränkung. Verkauft werden darf nur, was auf die Bedürfnisse der Reisenden ausgerichtet ist. Ein Beispiel: Bratwürste sind nicht erlaubt, weil sie noch gebraten werden müssen. Cervelats schon, weil sie auch roh gegessen werden können.
Wäre das Stimmvolk bereits Anfang August zur Urne gebeten worden, dann hätten die Gegner der Revision hauchdünn gewonnen. Das geht aus der ersten Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG hervor. In Zahlen: 46 Prozent der Teilnahmewilligen sind sechs Wochen vor der Abstimmung für eine Änderung. 47 Prozent dagegen. 7 Prozent geben keine Antwort oder haben sich noch nicht entschieden.
So gespalten die Meinung der Befragten ist, so klar war der Fall bei der Abstimmung im National- und Ständerat im Dezember letzten Jahres. Beide Kammern sagten Ja zur Änderung des Arbeitsgesetzes. Im Nationalrat waren es 128 zu 59 Stimmen, im Ständerat lag das Verhältnis bei 29 zu 11.
Linke dagegen, Freisinnige dafür
Parteipolitisch polarisieren FDP-nahe Stimmbürger auf der einen Seite und jene der SP auf der anderen Seite. FDP-Wähler sind mit 63 Prozent für eine Annahme der Änderung.
Die SP-Wähler sind mit 57 Prozent dagegen. Die Parteiungebundenen sind noch «arg gespalten», wie Politikwissenschafter Claude Longchamp vom gfs.bern, festhält – mit 40 Prozent dafür gegenüber 49 Prozent dagegen. 11 Prozent sind noch unentschlossen. Interessant sei, so Longchamp, dass «die Parteiungebundenen die Stimmung in der Bevölkerung am besten wiedergeben».
Röstigraben tut sich auf
Ein Blick auf die Stimmabsichten in der Deutsch-, West- und italienischen Schweiz zeigt gemäss Umfrage: In der Deutschschweiz ist man eher für die Gesetzesänderung (50 Prozent). Die Zustimmung für das Gesetz sinkt deutlich in der Westschweiz.
Longchamp erklärt das damit, dass «in der Westschweiz Gewerkschaften eine exklusive Position haben». Und Gewerkschaften sind es, die die Lockerung des Arbeitsgesetzes verhindern wollen. Dagegen sei «in der Deutschschweiz das Verständnis für Liberalisierungen mehr vorhanden», so der Politikwissenschaftler. Die Situation im Tessin? Dort halten sich Befürworter und Gegner mit 45 respektive 44 Prozent knapp die Waage.
Zum Graben zwischen West- und Deutschschweiz kommt ein Stadt-Land-Gefälle. In den grossen Agglomerationen sind die Stimmwilligen mit 54 Prozent dafür und 41 Prozent dagegen. Umgekehrt sieht das Verhältnis in den ländlichen Regionen aus: 37 Prozent sagen Ja, 54 Prozent Nein.
Gute Argumente beider Lager
Longchamp sieht in der Zwiespältigkeit einen Beleg dafür, dass sowohl die Befürworter als auch die Gegner des revidierten Arbeitsgesetzes «gute Argumente haben». Die Argumente der Pro-Seite, die bei den Umfrageteilnehmern am meisten Zuspruch bekommen, sind: Das Angebot in den Shops sollte tagsüber und in der Nacht dasselbe sein. Zudem entspreche eine Änderung des Gesetzes mehr dem Bedürfnis der Berufstätigen.
Auch die Gegner können mit ihren Argumenten punkten: 70 Prozent wollen grundsätzlich Sonntags- und Nachtarbeit nicht gutheissen. 67 Prozent sagen, dass ein 24-Stunden-Arbeitstag schädlich sei. Keine eindeutigen Mehrheiten finden sich für die These: Längere Öffnungszeiten bei Tankstellenshops bringen weder mehr Umsatz, noch mehr Arbeitsplätze.
Zwei mögliche Szenarien für die Abstimmung
All das deutet darauf hin, dass der Abstimmungsausgang knapp ausfallen werde, resümiert Longchamp. Jetzt komme es darauf an, «welchem Lager es in den kommenden Wochen bis zur Abstimmung gelingt, mehr Dynamik zu entwickeln». Aufgrund der Ambivalenz sei es «riskant, eine Prognose zu machen».
Er geht von zwei möglichen Szenarien aus: Die Mehrheit der Unentschiedenen (7 Prozent) bewegt sich auf die Ja-Seite. Oder es findet das Umgekehrte statt, was in eine Ablehnung des Gesetzes münden würde.
SRF 4 News, 17 Uhr