Zum Inhalt springen

Header

Audio
Der Arbeitsalltag des Bundesrichters
Aus Rendez-vous vom 02.11.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 8 Sekunden.
Inhalt

Selbstbestimmungs-Initiative «Das Bundesgericht ist nicht Gott»

Das Bundesgericht steht in der Schusslinie der Initiative der SVP. Für die dortigen Richter ist das aber nichts Neues.

Über 100 Stufen führen hinauf zum Gerichtssaal des Bundesgerichts in Lausanne, vorbei an der wuchtigen Steinfassade mit den hohen Säulen, durch Sicherheitskontrollen wie am Flughafen, hinein in die hohen Marmorhallen.

Die Architektur schüchtert ein. Das sei kein Zufall, sagt alt Bundesrichter Hans Wiprächtiger: «Man will die Justiz als eine Macht darstellen, vor der die Bürgerinnen und Bürger Respekt oder gar Angst haben.» Angst, weil hier Entscheide fallen, die für die Betroffenen einschneidend sein können.

Bundesgericht in Lausanne.
Legende: Vom Strassenverkehrsdelikt über eine Tötung bis zum Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz: Die verschiedensten Fälle landen am Bundesgericht in Lausanne. Keystone

Wiprächtiger hat solche Entscheide getroffen, als einer von 38 Bundesrichtern, 22 Jahre lang, in der Abteilung Strafrecht – einer von fünf Abteilungen des Bundesgerichtes in Lausanne, zwei weitere sind in Luzern.

«In der Abteilung für Strafrecht verteilt der Präsident die Fälle, die tagtäglich hineinkommen den Richterinnen und Richtern, damit sie diese behandeln.» Bei ihm waren das ungefähr 400 Fälle pro Jahr, die er als hauptverantwortlicher Richter beurteilt hat, schätzt Wiprächtiger. Dazu kamen etwa 300 weitere pro Jahr als Mitrichter. Denn jeder Fall wird von mehreren Richtern angeschaut.

Bei der Beurteilung der meisten Fälle seien sich die Richter einig, sie würden einvernehmlich erledigt, so der alt Bundesrichter. Doch wenn sie sich in ihrer Beurteilung nicht einig sind, werden die Fälle in einer öffentlichen Sitzung beraten – und das sind dann meist jene Fälle, die zu reden geben.

Hans Wiprächtiger
Legende: Hans Wiprächtiger war 22 Jahre lang Richter am Bundesgericht. Er sagt: «Unsere Fälle können auch sehr viele politische Auswirkungen haben, aber das ist so, das soll so sein.» Keystone

Bundesrichter bestimmen somit auch, wie die Schweizer Politik umgesetzt wird; was geht, was nicht. Sie sind selbst aber auch abhängig von der Politik. Denn um überhaupt Bundesrichter zu werden, braucht es nebst viel Erfahrung und Kompetenz ein Parteibuch und die Wahl durch die Bundesversammlung.

Eine Wechselbeziehung also. Das sei gut so, meint Wiprächtiger, der selbst SP-Mitglied ist. «Das Volk soll auch vertreten werden in diesen Gerichten.» Das bedeute aber nicht, dass diese Richter parteipolitische Richter seien.

Richter müssen dem Druck standhalten

Der politische Druck auf das Bundesgericht habe in den letzten Jahren indes zugenommen; durch öffentliche Diskussionen über Urteile. Dieser Druck gehöre aber dazu: «Uns hat ein ehemaliger Präsident des Bundesgerichts immer gesagt, diesen Druck musst du aushalten, dafür bist du auch gut bezahlt.» Konkret beträgt der Richterlohn 355'000 Franken pro Jahr.

Durch die Selbstbestimmungs-Initiative stehen die Richter wieder unter Druck. Hans-Ueli Vogts Vorwurf, das Bundesgericht habe die Europäische Menschenrechtskonvention über die Bundesverfassung gestellt, sei falsch, sagt Wiprächtiger. Denn die EMRK spiele im Richteralltag – egal auf welcher Stufe – immer eine Rolle, und sie habe auch die Bundesverfassung mitgeprägt.

«Angriff auf das Bundesgericht»

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Keystone

Die Selbstbestimmungs-Initiative, über die wir am 25. November abstimmen, fordert, das Landesrecht über das Völkerrecht zu stellen. Sie stammt aus der Feder des Wirtschaftsprofessors und Zürcher SVP-Nationalrats Hans-Ueli Vogt. Er sagt über seine Vorlage: «Sie ist ein Angriff auf das Bundesgericht; insofern auf die eigenen Richter, die die fremden Richter in Luxemburg und Strassburg über unsere Verfassung stellen.»

Hüter dieser Menschenrechtskonvention ist der Europäische Gerichtshof in Strassburg – die Instanz, welche Urteile des Bundesgerichtes allenfalls korrigieren kann. Das sei wichtig, sagt der alt Bundesrichter, denn: «Das Bundesgericht ist nicht Gott.» Das sei ein weiterer Grund, an der EMRK festzuhalten. Denn das System funktioniere, und das sei im Interesse aller.

Wenn schon etwas ändern, dann in Richtung mehr Transparenz, findet Wiprächtiger. Damit das Bundesgericht etwas von seinem abgeschotteten Image wegkomme und sich öffne. Und so die Bürgerinnen und Bürger besser nachvollziehen könnten, was hinter diesen dicken Mauern so alles vorgeht.

Wie stimmen Sie ab?

Box aufklappen Box zuklappen

Das Volk entscheidet am 10. Februar 2019 über die «Zersiedelungsinitiative». Nehmen Sie teil an der Umfrage. Die Ergebnisse der Umfrage werden am 30. Januar 2019 auf den Kanälen der SRG SSR publiziert. Die Teilnahme an der Befragung ist anonym.

Audio
Juristische Kontroverse um Selbstbestimmungsinitiative
aus HeuteMorgen vom 02.11.2018.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 9 Sekunden.
Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel