Das Wichtigste in Kürze:
- Am 12. Februar entscheidet das Stimmvolk über die Unternehmenssteuerreform III, kurz USR III. Es handelt sich um die gewichtigste Wirtschaftsvorlage seit Jahren.
- Die erste Trendumfrage zeigt: Derzeit stehen 50 Prozent der Befragten hinter der USR III. Nur 35 Prozent sind dagegen.
- Ungewöhnlich ist: 65 Prozent der Wähler noch keine feste Stimmabsicht (eher dafür, eher dagegen, weiss nicht).
- Gelingt es der Linken, die eigenen Reihen zu schliessen und Protestwähler von rechts zu gewinnen, könnte es knapp werden.
Die Unternehmenssteuerreform III trägt einen komplizierten Namen, und sie ist es auch. Vor allem aber ist sie eine Vorlage von beträchtlicher Tragweite. Manche Kommentatoren sprechen von der wichtigsten Weichenstellung seit den Bilateralen.
Die Unternehmenssteuerreform III in Kürze
Auf ausländischen Druck hin soll die Schweiz die verpönten Steuerprivilegien für international tätige Unternehmen aufgeben. Um den Wirtschaftsstandort Schweiz trotzdem attraktiv zu halten, hat das Parlament unter anderem generelle Steuersenkungen für Unternehmen beschlossen – was unweigerlich zu Steuerausfällen führen wird. |
Überzeugende Argumente auf beiden Seiten
Bürgerliche Kräfte halten die Steuererleichterungen für Unternehmen für alternativlos: Es drohe die Abwanderung der milliardenschweren, hoch mobilen Unternehmen und der Verlust abertausender Arbeitsplätze – kurz: Der Wohlstand der Schweiz sei gefährdet.
Die Linke dagegen geisselt das «Steuerabzugsfestival»: Angesichts des bürgerlichen Spareifers in Bundesbern drohe der Service public weiter «auszubluten», die Zeche müsse am Ende der Normalbürger bezahlen.
Die scharfe Rhetorik zeigt: Es geht um viel. Und trotz aller Komplexität hat die USR III, wie die SRG-Umfrage belegt, bereits ein starkes Echo bei den Stimmbürgern gefunden: «Beide Seiten haben gute Argumente, und das spüren essentiell viele Menschen», sagt Claude Longchamp von gfs.bern.
Im Normalfall ist die Sache gelaufen.
Aktuell scheint das Pendel klar in Richtung des Bundesrats und der Bürgerlichen auszuschlagen: Insgesamt 50 Prozent der Befragten stehen hinter der Steuerreform, nur 35 Prozent lehnen sie ab. 15 Prozent sind noch unentschlossen. «Im Normalfall ist die Sache gelaufen», hält Longchamp fest.
Doch der Politikwissenschaftler relativiert: «65 Prozent der Befragten haben lediglich eine tendenzielle oder gar keine Meinung – das ist ein aussergewöhnlich hoher Wert.» Die Erfahrung zeigt zwar: Meist entwickelt sich die Meinungsbildung bei Behördenvorlagen derart, dass beide Seiten aufgrund der Unschlüssigen zulegen können. Die Vorlage wäre also relativ komfortabel durch.
Bei der Steuerreform bleibt für Longchamp – wenn auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit – aber eine Trendwende denkbar. Damit die Reform abstürzt, muss jedoch die Ausnahme von der Regel eintreten – und bei der Referendumsführerin, der SP, müssen sich die Reihen schliessen.
Denn während die grüne Stammwählerschaft die USR III mit satten 65 Prozent ablehnt, sind es bei der SP-Basis lediglich 46 Prozent. Zum Vergleich: Die FDP-Basis ist mit 66 Prozent Befürwortern ungleich stärker polarisiert.
Spricht die SP die «falsche» Basis an?
Die Tatsache, dass nicht zuletzt in den Städten und urbanen Kantonen linke Regierungsmitglieder Skepsis angemeldet haben, scheint Wirkung zu zeigen: Die Reform bleibt für diverse Exekutivpolitiker der SP eine Blackbox – in doppelter Hinsicht: Zwar treibt auch sie die Angst vor Steuerausfällen durch die USR III um; sollte die Reform aber abstürzen, befürchten sie, dass Grosskonzerne ins Ausland abwandern.
Longchamp meldet denn auch Zweifel an der bisherigen Abstimmungskampagne der Sozialdemokraten an: «Die SP hat bisher stark auf ihre Kernstädte gesetzt. Sie wollte die Abstimmung quasi von Zürich aus gewinnen. Das grössere Potential, die Vorlage zu kippen, besteht im unteren Mittelstand.»
Die Gretchenfrage: Wer zahlt?
So unterstützen lediglich 38 Prozent der Stimmbürger, bei denen monatlich zwischen 3000 und 5000 Franken in die Haushaltskasse fliessen, die Steuerreform. «Diese Menschen zweifeln, ob sie am Ende nicht die Rechnung dafür bezahlen müssen, dass die grossen internationalen Firmen in der Schweiz bleiben», schliesst Longchamp – die SP habe in diesem «eigentlich klassisch sozialdemokratischen» Wählersegment grosses Mobilisierungspotenzial.
Ein ‹Zweifrontenkrieg› ist bei Referendumsvorlagen das schwierigste Szenario.
Schützenhilfe könnte die Linke von unerwarteter Seite bekommen: aus dem rechtsbürgerlichen Lager. «Die Einbürgerungsvorlage könnte die Mobilisierung von Personen beeinflussen, die grundsätzlich skeptisch gegenüber der Behördenpolitik und internationalen Abmachungen sind. Das könnte auch der USR III schaden», so Longchamp.
Ein solches Szenario ist jedoch stark davon abhängig, ob die SVP in den kommenden Wochen gegen die Einbürgerungsvorlage mobil macht – und damit mehr Stimmbürger an die Urne lockt. «Die SP ist wohl zu schwach, um die Entscheidung alleine zu erzwingen», sagt Longchamp.
Sollte die Vorlage von links und rechts in die Zange genommen werden, besteht für den Politikwissenschaftler aber durchaus Absturzgefahr: «Ein ‹Zweifrontenkrieg› ist bei Referendumsvorlagen das schwierigste Szenario.»
Des Pudels Kern
Nichtsdestotrotz: Eine Annahme der USR III bleibt das wahrscheinlichste Szenario. Und auch das Pro-Lager hat ein Ass im Ärmel, um einer Misstrauensabstimmung entgegenzuwirken.
Longchamp führt aus: «Die Befürworter konnten bisher zwei Botschaften stark platzieren: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz und ein steuerfreundliches Klima für Investitionen. Sie könnten aber noch klarer betonen, dass KMU und internationale Organisationen gleichgestellt werden, wenn die Steuerprivilegien für letztere fallen.»
Des «Pudels Kern» bleibe aber die Frage, wer am Ende die Rechnung zahlt – und ob die USR III tatsächlich Wachstum schaffe. «Denn diesbezüglich gibt es Zweifel in der Bevölkerung», schliesst Longchamp.
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