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Administrative Versorgung «Die Schweiz hat viel getan, damit sich das nicht wiederholt»

Über Jahrzehnte wurden in der Schweiz Menschen, mit denen die Gesellschaft nichts anzufangen wusste, weggesperrt und mussten unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten. Mindestens 60'000 Menschen waren davon betroffen. Es handelte sich um Verdingkinder, aber auch um Menschen am Rande der Gesellschaft. Nun hat eine Expertenkommission den Geschichte aufgearbeitet. Was hat die Schweiz daraus gelernt und wer muss heute noch mit Zwangsmassnahmen rechnen?

Christoph Häfeli

Experte für Kindes- und Erwachsenenrecht

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Christoph Häfeli ist Sozialarbeiter und Jurist. Er war unter anderem Mitglied bei den Expertenkommissionen für Kindesentführung und Kindesmmisshandlung und ist Experte bei der Umsetzung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts in den Kantonen Aargau, St. Gallen und Graubünden.

SRF: Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat gesagt, es sei wichtig, dass sich solche Fehler nicht wiederholen. Besteht denn die Gefahr, dass sich so etwas wiederholt?

Christoph Häfeli: Da muss man zuerst sagen, dass man in den letzten zwanzig Jahren sehr viel getan hat dafür, dass sich so etwas nicht wiederholt. 2013 trat das neue Kinder- und Erwachsenenschutzgesetz in Kraft. Und schon 1978 hat die Schweiz eine wesentliche Anpassung des Kindesschutzrechtes vorgenommen, welche die Verdingkinderproblematik eigentlich schon ausschaltet. Wir haben einen viel stärkeren Rechtsschutz, sowohl im Kindesschutz, als auch im Erwachsenenschutz. Das Kind ist nicht mehr einfach nur Objekt, sondern wird als Rechtspersönlichkeit ernst genommen. Das Bundesgericht hat Standards gesetzt, damit Kinder spätestens ab dem sechsten Altersjahr angehört werden. Kinder erhalten bei Verfahren eine eigene Vertretung. Im Erwachsenenschutz haben wir das Prinzip der Selbstbestimmung eingeführt, mit der Patientenverfügung und mit dem Vorsorgeauftrag, wo man selber bestimmen kann, wer sich um einen kümmern soll, wenn man das selber nicht mehr kann.

Dennoch kommt es immer noch vor. Gemäss einer Erhebung aus dem Jahr 2017 waren es rund 14'000 Erwachsene, die fürsorgerisch untergebracht waren, also gegen ihren Willen in eine Institution eingewiesen wurden und 4300 Kinder, die fremdplatziert waren. Das ist eine hohe Zahl.

Ja, das sind viele. Man muss aber zwischen Kindern und Erwachsenen unterscheiden. Wenn man sich die 4300 Kinder anschaut, die in Pflegefamilien und Heimen sind, sind das ziemlich genau 10 Prozent der gesamten Kinderschutzmassnahmen. Die allermeisten, 80 Prozent, stehen unter einer Beistandschaft, in der die Elternrechte überhaupt nicht eingeschränkt sind, in der sie noch alle Entscheidungen treffen können. Bei den Erwachsenen weiss ich nicht, wie die Zahl 14'000 zustandegekommen ist. Das ist wohl eine Schätzung. Es ist sehr schwierig, genaue Zahlen festzustellen.

Das ist eine Erhebung des Bundes. Den Behörden wird regelmässig vorgeworfen, dass sie eher unzimperlich mit den Familien umgehen und dass es eine gewisse Willkür und Intransparenz gibt.

Die allermeisten dieser Platzierungen passieren in längeren Prozessen von Wochen, Monaten und manchmal sogar Jahren. Und erst am Schluss, wenn man alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, kommt es zu einer Platzierung. Aber es gibt natürlich gewisse Hochrisikosituationen, beispielweise bei innerfamiliärer Gewalt, oder wenn Säuglinge oder Kleinkinder betroffen sind. Dort muss man sofort die Gefährdungssituation einschätzen, ohne grosse Abklärungen machen zu können, damit man zunächst das Kind schützen kann. Natürlich sieht man manchmal nachträglich, dass es nicht so dramatisch ist, wie man es eingeschätzt hat, solche Fehleinschätzungen kann man nicht vollständig vermeiden. Aber es ist die absolute Minderheit der Fälle, in denen man Kinder quasi überfallmässig wegnehmen muss, beispielsweise bei Entführungsgefahr.

Das Gespräch führte Arthur Honegger.

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