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Agrarpolitik 2022+ Landwirtschaft: Der Ständerat erteilt dem Bundesrat eine Absage

  • Der Ständerat erteilt der neuen Agrarpolitik des Bundesrats mit 28 zu 16 Stimmen eine Abfuhr.
  • Der Rat will die Vorlage erst beraten, wenn der Bundesrat mit einem Bericht Nachbesserungen geliefert hat.
  • Die Neuausrichtung der Landwirtschaft ab 2022 wird nun um Jahre verzögert.
  • Einstimmig gutgeheissen hat der Ständerat hingegen die finanziellen Mittel für die Landwirtschaft.

Die Debatte im Ständerat über die Sistierung der Agrarpolitik 22+ wurde emotional geführt. Ständerat Christian Levrat (SP/FR) warnte, mit einer Sistierung würde die Ökologisierung der Landwirtschaft gestoppt. Werner Salzmann (SVP/BE) entgegnete, wenn Direktzahlungen gekürzt würden, nur weil man gewissen ideologischen Wegen nicht folge, sei das Erpressung.

Ausserdem müsste für eine nachhaltigere Landwirtschaft zuerst ein Umdenken stattfinden, so Salzmann weiter. Der Zwischenhandel müsse bereit sein, mehr zu bezahlen. Und auch die Konsumenten müssten bereit sein, mehr als sechs Prozent des Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel auszugeben. «Wenn nach der Grenzöffnung alle nach Deutschland zum Einkaufen strömen, dann schmerzt mich das.»

Maja Graf (Grüne/BL) hingegen will nichts von einer Ideologie wissen. Man könne zwar nicht wissen, wie sich die Konsumenten entwickeln würden, aber man sehe doch einen Trend hin zu regionalen und nachhaltigeren Produkten.

Darum geht es bei der «Agrarpolitik ab 2022 (AP22+)»

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Traktor bei der Maisernte.
Legende: Keystone
  • Darum geht es: Der Bundesrat will mit seiner «Agrarpolitik ab 2022 (AP22+)» die Landwirtschaft auf mehr Tier- und Gewässerschutz trimmen. Gleichzeitig wird festgelegt, wie viel Geld von 2022 bis 2025 zur Verfügung stehen soll: Der Bundesrat schlägt 13.8 Milliarden Franken vor – fast gleich viel wie in der letzten Vierjahresperiode.
  • Das ist umstritten: Die Mehrheit der zuständigen Wirtschaftskommission des Ständerats sieht in der Agrarreform «nur negative Punkte» und beantragt deshalb, das Geschäft zu sistieren und nur übers Geld zu sprechen. Stattdessen soll der Bundesrat bis spätestens in zwei Jahren in einem Bericht die «zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» skizzieren.
  • Der Streit ums Geld: Die Wirtschaftskommission des Ständerats möchte den Landwirten mehr Geld zugestehen: Die Mehrheit will den vierjährigen Zahlungsrahmen des Bundesrates um 186 Millionen Franken aufstocken, eine Minderheit mit Vertretern von SP und FDP hingegen nur um 43 Millionen.

Der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser wollte die Schweizer Landwirtschaftspolitik gleich ganz umdenken: «Es ist an der Zeit, sich die Zeit dafür zu nehmen.» Roberto Zanetti (SP/SO) glaub hingegen nicht, dass man innerhalb von zwei Jahren die Landwirtschaftspolitik neu erfinden könne, sonst könne man auch gleich an den Storch und den Weihnachtsmann glauben.

Über der Schweizer Landwirtschaft hängen aktuell zwei Damokles-Schwerter: Die Pestizid- und die Trinkwasser-Initiative. Der Bundesrat wollte mit seiner neuen Agrarpolitik, diesen Volksanliegen entgegenkommen. Doch Ständerat Noser wollte auf dem Buckel der Landwirtschaft nicht weiter Konflikte austragen. Das führe zu zu vielen Widersprüchen. So wolle man die Möglichkeiten in der Raumplanung einschränken, gleichzeitig aber mehr Laufställe, die ein Vielfaches an Platz benötigen: «Wir müssen den Mut haben, nicht zwischen diesen Widersprüchen hin- und herzugehen.»

Ständerätin Maja Graf erinnerte in ihrem Votum an die Bauernfamilien: «Ein Stillstand bedeutet ein Rückschritt und somit keine oder keine nachhaltige Zukunft für die Familien.» Ausserdem könne man mit AP22+ endlich eine soziale Absicherung von (Ehe-)Partner und -Partnerinnen erreichen. Diese würde mit einer Sistierung verzögert.

Auch Landwirtschaftsminister Guy Parmelin warb vergebens gegen die Sistierung. Diese würde keinen Sinn ergeben und wäre gar ein Schock für die Schweizer Landwirte und Landwirtinnen. Auch er wies auf die sozialen und ökologischen Massnahmen der Agrarpolitik 22+ hin, die bei einer Sistierung nicht umgesetzt werden könnten.

Parmelin musste aber auch eingestehen, dass von den Bauern manchmal das Unmögliche erwartet werde. Es sei nicht einfach, in der Schweiz zu Weltmarktpreisen zu produzieren: «Das ist schlicht unmöglich, und das sollte sich unsere Bevölkerung auch bewusst sein.»

Nun muss der Bundesrat bis 2022 in einem Postulatsbericht die geforderten Nachbesserungen liefern. In der Frühlingssession wird dann noch der Nationalrat befinden, was er von der neuen Agrarpolitik hält.

Tagesschau, 14.12.2020, 19:30 Uhr ; 

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