- Isabelle Moret, Pierre Maudet und Ignazio Cassis haben bei den Fraktionen von SP, GLP und BDP vorgesprochen.
- Nach der Fraktionssitzung der Grünen gab Balthasar Glättli bekannt, die Partei-Mehrheit empfehle Moret zur Wahl. Die CVP will keine Wahlempfehlung abgeben.
- Die Anhörungen bei der SP waren mit Spannung erwartet worden. Diese beklagt erneut, dass Laura Sadis nicht auf dem Bundesratsticket zu finden ist. Eine Wahlempfehlung gab sie nicht ab.
- Klar war bereits im Vorfeld, dass FDP und SVP mehrheitlich Cassis unterstützen. Die BDP empfiehlt Maudet zur Wahl. Die GLP hält alle Kandidaten für wählbar.
Morgen ist Bundesratswahl. Und jetzt, die Ruhe vor dem Sturm? Mitnichten. Am Nachmittag haben Ignazio Cassis, Isabelle Moret und Pierre Maudet bei den Fraktionen von SP, GLP und BDP vorgesprochen.
Cassis' «intensive Stunden»
Namhafte Sozialdemokraten hatten schon im Vorfeld klargemacht, dass Cassis nicht ihr Wunschkandidat ist. Vor allem dessen Nähe zu den Krankenkassen ist vielen ein Dorn im Auge. Der Tessiner zog kurz vor seinem Auftritt bei der SP einen Vergleich zu einem Marathon: «Ich bin froh, wenn es vorbei ist.» Nachdem er zwei von drei Hearings geschafft hatte, wurde der Tessiner poetisch:
Es sind sehr intensive Stunden. Ich fühle mich wie in einer Seifenblase und weiss noch nicht, wo ich lande.
«Ich habe mich so gegeben, wie ich bin: Als liberaler und freisinniger Mensch», sagte Cassis nach den Hearings. SRF-Bundeshausredaktor Christoph Nufer bestätigt, dass der Bundesrats-Wahlkampf Spuren beim Kandidaten-Trio hinterlassen hat: «Man merkt, dass sie routiniert, aber müde sind.»
Die Linke stützt die Aussenseiter
Ungeachtet der körperlichen und mentalen Verfassung: Mehr Sympathien als Cassis scheinen viele SPler für Maudet zu haben. Allerdings seien viele noch unentschieden, sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann nach den Hearings: «Sie wollen noch eine Nacht darüber schlafen.» Eine Wahlempfehlung gab die SP nicht ab.
Maudet selbst verschwand nach seiner ersten Anhörung bei der SP, ohne die wartenden Journalisten eines Blickes zu würdigen. Auch nach den Hearings war der Genfer Staatsrat kurz angebunden: «Ich muss rennen!» Maudet will offenbar noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten.
Isabelle Moret sagte nach den Hearings, sie mache keine Kalkulationen: «Es war mir wichtig meinen Kollegen zu zeigen, was meine Vision ist.» Rückendeckung für Moret gab es abseits der Anhörungen: Nach der Fraktionssitzung gab Balthasar Glättli bekannt, die Partei empfehle mehrheitlich die Waadtländerin zur Wahl.
«Die Frauen machen einen noch grösseren Teil der Bevölkerung aus als das Tessin, und auch sie haben erst sieben Bundesrätinnen gehabt», sagte Glättli. Entsprechend gewichte die Mehrheit der Grünen diesen Anspruch höher.
Nordmann bringt Sprengkandidatur in Spiel
Im Gespräch mit SRF News äusserte sich SP-Fraktionschef Nordmann zu einer «wilden Kandidatur»: «Der Frust ist gross, dass Laura Sadis nicht auf dem Ticket ist.» Sie sei Tessinerin, habe Regierungserfahrung und sei eine Frau – die perfekte Synthese für den vakanten Bundesratsposten.
Cassis ist so gut wie gewählt.
Mit Blick auf Morgen sei «nichts auszuschliessen. Das hängt aber stark von den Hearings ab.» Für die ehemalige Tessiner FDP-Staatsrätin Sadis weibelten in den letzten Tagen verschiedene SP-Exponenten. Nur bekommt die Linke für dieses Szenario kaum Stimmen von ausserhalb des eigenen Lagers zusammen.
SRF-Bundeshausredaktor Nufer glaubt, dass die Linke Bundesrat Cassis kaum mehr verhindern kann: «Cassis ist am heutigen Abend so gut wie gewählt. Bei den anderen geht es nur noch um den zweiten Platz.» Um «Kranken-Cassis» zu verhindern, wird sich die Ratslinke im Verlauf der morgigen Wahl auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen müssen. Doch nur eine Mitte-links-Allianz könnte den Kronfavoriten Cassis ins Straucheln bringen.
Formiert sich eine Mitte-links-Allianz?
FDP und SVP dürften sich mehrheitlich auf die Seite von Cassis schlagen. Die CVP gab nach ihrer Fraktionssitzung keine Empfehlung ab: «Wir halten alle drei Kandidaten für wählbar», so CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi. Die Partei werde morgen früh erneut beraten. Eine wilde Kandidatur will die CVP nicht unterstützen.
Das Zünglein an der Waage könnten morgen die kleinen Fraktionen von BDP und GLP spielen. Die BDP gab nach den Anhörungen bekannt, dass sie Maudet zur Wahl empfiehlt. Die GLP hält alle Kandidaten für wählbar.
Die letzten Absprachen werden am Abend im Berner Luxushotel Bellevue getroffen: Parteichefs und Politstrategen diktieren den Journalisten Prognosen und Analysen ins Mikrofon, während abseits der Kameras die Königsmacher die Strippen ziehen.