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Anti-Rassismus-Strafnorm Nur rund 900 Fälle innert 25 Jahren

Die Anti-Rassismus-Strafnorm wird nicht oft angewendet. Sie hat vor allem eine wichtige Signalfunktion.

Seit 25 Jahren wird bestraft, wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, ihrer Religion oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe hetzt. Das ist der Kern der Anti-Rassismus-Strafnorm.

Ein Maulkorb-Artikel?

Am 9. Februar wird über eine Erweiterung des Gesetzes abgestimmt. Danach soll auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung unter Strafe gestellt werden. Ein Maulkorb-Artikel sei das, warnen Kritiker. Genau so, wie sie schon vor einem Vierteljahrhundert gewarnt hatten. Doch hat sich diese Befürchtung bestätigt?

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus führt genau Buch über die Strafverfahren wegen möglicher Verstösse gegen die Anti-Rassismus-Strafnorm. Gut 900 Fälle waren es innert 25 Jahren. «Man sieht, dass das nicht eine Strafnorm ist, die übermässig angewendet wird», folgert Alma Wiecken, Geschäftsführerin der Anti-Rassismus-Kommission. Nicht ganz zwei von drei Angeklagten wurden schuldig gesprochen. Das macht durchschnittlich knapp 24 Schuldsprüche pro Jahr. Verglichen mit ähnlichen Strafnormen ist das sehr wenig.

Praktisch immer bedingte Geldbussen

«Wenn man die Zahl an Verurteilungen wegen Beschimpfung gegenüberstellt, sehen wir, dass das über 3600 sind. Das relativiert die Zahl von Verurteilungen wegen Verletzung der Rassismus-Strafnorm doch deutlich», so Wiecken weiter. Hinzu komme, dass die Strafen in der Regel äusserst mild seien. Praktisch immer sind es bedingte Geldbussen von wenigen hundert Franken.

Dennoch habe die Anti-Rassismus-Strafnorm Wirkung erzielt, ist die Juristin überzeugt: «Die Rassismus-Strafnorm kann nicht Rassismus beseitigen – das war nie ihre Aufgabe. Allerdings hat sie doch eine wichtige Signalfunktion. Sie soll klarmachen, dass nicht alles erlaubt ist sowie den von Rassismus betroffenen Personen den Rücken stärken, wenn sie sich gegen Rassismus und rassistische Diskriminierung wehren möchten.»

Hasstiraden in sozialen Medien

Die grösste Opfergruppe sind Jüdinnen und Juden, gefolgt von Ausländern verschiedener Volksgruppen und von Personen mit dunkler Hautfarbe. Die Hälfte aller Täterinnen und Täter sind Privatpersonen, die in den letzten Jahren vermehrt in sozialen Medien ihre Hasstiraden abgesondert haben. Jeder zwanzigste Verurteilte war ein politischer Akteur. 13 Prozent haben einen klar rechtsextremen Hintergrund.

Dazu, ob künftig neben Rasse, Ethnie und Religion auch die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung strafbar sein soll, nimmt die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus nicht Stellung. Das entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am 9. Februar an der Urne.

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