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Auslieferung an Folterstaaten Ein Zeichen des Ständerats mit Erklärungsbedarf

Die Mehrheit des Ständerates wollte ein Zeichen setzen. Deshalb überwies sie mit knapper Mehrheit von SVP und Teilen der FDP und CVP eine Motion aus dem Nationalrat, die einige Fragen aufwirft.

Künftig soll die Schweiz verurteilte Terroristen, die ihre Strafe abgesessen haben und weiterhin eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, auch an Länder ausliefern können, in denen ihnen Folter oder gar Todesstrafe drohen. Der Bundesrat muss nun einen entsprechenden Gesetzesartikel ausarbeiten, der dies erlaubt und der ausdrücklich über der Verfassung und über der Menschenrechtskonvention stehen soll, die eine solche Auslieferung ausdrücklich verbieten.

Nicht mit Rechtsstaat vereinbar

Was für ein Zeichen wollte der Ständerat setzen? Dass es Massnahmen braucht gegen verurteilte Terroristen, die eine Gefahr darstellen, wenn sie nach Verbüssen ihrer Strafe wieder freikommen? Dieses Problem hat der Bundesrat erkannt. Entsprechende Verschärfungen des geltenden Rechts sind in Vorbereitung. Denkbar wäre, dass solche Gefährder unter Hausarrest gestellt werden, dass sie Fussfesseln erhalten, oder dass sie sich nur in einem beschränkten Rayon bewegen dürfen.

Doch dem Ständerat genügen die angekündigten rechtsstaatlichen Massnahmen nicht. Nimmt man den Vorstoss wörtlich, so bedeutet er, dass der Ständerat in Kauf nimmt, dass verurteilte Terroristen der Folter oder der Todesstrafe zugeführt werden können. Denn wie will die Schweiz verhindern, dass genau das passiert, wenn sie Kriminelle etwa an den Irak oder an Syrien ausliefert?

Die Gegner der Auslieferung an Folterstaaten argumentierten, dass die Massnahme gegen das Folter-Verbot verstiesse, genauso wie die Folter selber, und damit gegen das zwingende Völkerrecht. Die Frage, wie die Inkaufnahme von Folter und Todesstrafe mit dem Rechtsstaat vereinbar wäre, wurde heute im Ständerat diskutiert. Eine schlüssige Antwort gab es nicht.

Entscheid kann noch korrigiert werden

Wollte der Ständerat ein Zeichen der Härte, der Null-Toleranz aussenden? Will man im Wahljahr die Politik der harten Linie gegenüber kriminellen Ausländern nicht der SVP überlassen? Die Massnahme ist laut einhelliger Meinung selbst ihrer Befürworter kaum umsetzbar, ohne dass die sonst zurecht hochgehaltenen Prinzipien des Rechtsstaates und des zwingenden Völkerrechts verletzt würden.

Noch kann der Entscheid korrigiert werden, wenn Bundesrätin Karin Keller-Sutter ihre Vorschläge konkretisiert, wie man mit verurteilten Gefährdern künftig umgehen soll. Dann könnte sich der Ständerat wieder auf seine Rolle als «Chambre de réflexion» besinnen und für eine verfassungs- und menschenrechtskonforme Lösung einsetzen. Das «innerste Heiligtum unseres Staates», wie die Rechtsstaatlichkeit heute genannt wurde, dürfte am Ende gewahrt bleiben. Bis dann jedoch steht das Zeichen im Raum, das der Ständerat heute gesetzt hat.

Erwin Schmid

Bundeshausredaktor, SRF

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Erwin Schmid ist Bundeshausredaktor von SRF. Er berichtet seit 2001 für das Unternehmen. Er war Korrespondent in Wien und in Barcelona. Zudem berichtete er als Sonderkorrespondent aus Krisen- und Konfliktregionen. Schmid studierte in Zürich und Wien Umweltnaturwissenschaften und Internationale Beziehungen.

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