Es ist Mittag beim Strandbad Ufschötti in Luzern. Die Lufttemperatur liegt knapp über dem Gefrierpunkt, dick eingepackte Jogger huschen am Seeufer entlang, Hündeler tapsen mit ihren Tieren über die gefrorenen Gehwege – und Gerda Imhof zieht das Badekleid an. Sie macht sich bereit für ihre eine Schwimmrunde im Vierwaldstättersee. Das Wasser ist exakt 6.7 Grad Celsius kalt; eine Temperatur, bei der Olivenöl gefriert. «Gar nicht so kalt», sagt Gerda Imhof und lacht.
Zum Trend geworden
Vor vier Jahren hat sie mit dem Winterschwimmen begonnen und über eine Internetseite nach Gleichgesinnten gesucht. Seither geht sie regelmässig mit einer stetig wachsenden Gruppe im eisigen Wasser baden. Dieses Jahr scheinen besonders viele den kalten Kick zu suchen. «Man kann von einem Trend sprechen», meint Gerda Imhof. «Zu Beginn kamen vor allem ältere Leute, mittlerweile sind auch viele junge dabei.»
Heute haben neun Personen den Weg zur Ufschötti gefunden. Nachdem sie sich ihrer Winterkleider entledigt haben, gehen sie erstaunlich ruhig und Schritt für Schritt in den See. Niemand flüchtet, nachdem die Zehen das kalte Wasser berühren. Es liegen sogar ein paar Schwimmzüge drin. Nach zirka fünf Minuten kehren sie an Land zurück, ziehen die Kleider an und schrauben die Thermosflasche mit dem heissen Tee auf.
Die Gruppe trifft sich dreimal die Woche. Gerda Imhof geht aber auch an allen anderen Wochentagen. «Das Winterschwimmen löst Glückshormone aus, man fühlt sich danach wie neu geboren. Es hat Suchtpotenzial», sagt sie. «Begonnen habe ich, weil ich etwas für mein Immunsystem tun wollte. Nun bin ich viel seltener erkältet als zuvor.»
Vorsicht bei Herzproblemen
Wundermittel Winterschwimmen? «Es hat tatsächlich einen positiven Effekt», bestätigt Daniel Wegmann, Sportmediziner an der Klinik St. Anna in Luzern. Der Kälteschock löse im Körper eine ganze Reihe von Reaktionen aus. «Die Hautgefässe ziehen sich zusammen und die Hauttemperatur sinkt. Gleichzeitig weiten sich die Gefässe im Innern des Körpers aus, damit die Beine und Arme trotz tiefer Temperaturen durchblutet bleiben. Das regt die Fettverbrennung an und diverse Hormone wie Adrenalin werden ausgestossen. Das Immunsystem wird gestärkt.»
Völlig unbedenklich sei der Trend aber nicht, fügt der Sportmediziner an. Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen, hohem Blutdruck und schlechten Gefässen sollten das kalte Bad sein lassen. «Der Kälteschock kann in solchen Fällen zu Kreislauf-Versagen führen. Bis zum Herzinfarkt.» Auch Leute mit Kälteasthma oder einer Kälteallergie sollten lieber verzichten.
Kalte Duschen als Vorbereitung
Dann gebe es auch für gesunde Menschen einige Regeln zu beachten. «Wichtig ist, das Winterschwimmen nicht als Wettbewerb zu verstehen. Es geht nicht darum, wer am längsten im kalten Wasser bleiben kann. Fünf Minuten sind das Maximum.» Weiter sollte man nicht alleine und nicht ins tiefe Wasser gehen und nicht erst im Winter damit anfangen.
Diese Regeln kennen auch Gerda Imhof und ihre Mitschwimmer. Sie würden zwar bis ins tiefe Wasser rausschwimmen, doch auch da sei für Sicherheit gesorgt. «Ich bin Rettungsschwimmerin und könnte in brenzligen Situationen helfen», sagt Imhof. Auch sie rät davon ab, unvorbereitet mit dem Winterschwimmen anzufangen. Es gebe aber einen Trick: «Am Morgen nach dem Aufstehen eine ganze Minute lang kalt duschen. So gewöhnt man sich an das kalte Wasser.»