Potenzielle Gewalttäter abfangen: Seit einem Jahr existiert im Kanton Solothurn ein besonderes Beratungsangebot für potentielle Gewaltäter oder Gewalttäterinnen. Es richtet sich damit nicht an Opfer von Gewalt und nicht nur an Personen, die wegen einer Gewalttat zu einer Beratung «verknurrt» werden. Sie ist zum einen für solche, die bald Gewalt anwenden könnten. Zum anderen ist sie eine Anlaufstelle für «aktive Schläger» die damit aufhören wollen.
Zu den Klienten der Solothurner Beratungsstelle Gewalt gehören Jugendliche und Senioren, Männer und Frauen, Schweizer und Ausländer. Die Beratung ist freiwillig, kostenlos und vertraulich. Das Programm wird in verschiedenen Sprachen angeboten und läuft vorerst drei Jahre.
Beratung und Stress in Coronazeiten: Der erste Kontakt zwischen Klienten und der Solothurner Beratungsstelle kommt in der Regel über ein Telefonat, selten über E-Mail, zustande. Dank Corona gibt es im Kanton Solothurn nun auch Video-Beratungsgespräche. «Das typische Telefonat gibt es nicht. Die Leute brauchen aber Mut, um uns anzurufen. Sie schämen sich, freuen sich aber, wenn sie nicht verurteilt werden.»
Die Leute brauchen Mut, um uns anzurufen.
Gerade jetzt während Corona-Shutdowns, Quarantäne oder ähnlichen Einschränkungen des Bewegungsradius sind mögliche Gewalttäter «eingesperrt, verunsichert, ohnmächtig», schreibt etwa das Mannebüro Zürich und bietet ein Survival Kit für Männer in Coronazeiten an. Allerdings: Trotz Corona, Homeoffice und Shutdowns habe man nicht mehr Anfragen für Beratungen wegen häuslicher Gewalt festgestellt, sagt Martin Schmid, Leiter der Solothurner Beratungsstelle. Solche Krisen wie die Coronakrise können sogar Vorteile haben, findet er: «Es ist weniger los, es gibt weniger Druck, das gibt nicht unbedingt mehr Gewaltvorfälle», weiss er.
220 Beratungsgespräche in einem Jahr: Bei der Lancierung der Beratungsstelle Gewalt im Kanton Solothurn wussten die Verantwortlichen des Kantons Solothurns (275'000 Einwohner) nicht, wie das Angebot genutzt wird. Nun läuft das Angebot seit einem Jahr und es zeigt sich: Es funktioniert. 49 Personen wurden in 219 Gesprächen beraten. Die Nachfrage sei vorhanden, sagt der Leiter der Beratungsstelle, Martin Schmid. Er hat sich mehrere Jahre im Bereich Gewaltprävention weitergebildet. Er ist zufrieden, dass das Angebot genutzt wird.
Gewalt baut Druck ab.
Das Modell der freiwilligen, kostenlosen Beratung komme ursprünglich aus Hamburg und sei sehr direkt, so Schmid. Gewalt sei immer eine Art Ventil, um Druck, der sich aufstaut, abzubauen: «Gewalt ist immer da, um etwas Unangenehmes wegzumachen, die Gewalt baut den Druck ab», erklärt die Ausbrüche seiner Klienten. Er arbeite auch mit Paaren, die beide gewalttätig werden, erzählt Schmid. Es gibt für ihn keine typischen Täter, keine typischen Fälle, jeder Fall sei anders.
Können nicht Freunde statt eine Hotline helfen? «So explizit und spezifisch wie unsere Beratungsstelle Gewalt kann niemand Hilfe anbieten, auch befreundete Psychiater überweisen Leute an uns, weil sie sagen: Bei Gewaltfragen sind wir nicht genug spezialisiert», erzählt Martin Schmid, Leiter der Solothurner Beratungsstelle aus dem Alltag. Schmid liess sich für seine Funktion in der Beratungsstelle Gewalt über vier Jahre dafür ausbilden.