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Corona-Gefahr hinter Gittern Schwierige Rückkehr zu Normalität im Strafvollzug

Der Strafvollzug sucht nach den im März getroffenen Einschränkungen die Rückkehr zum Normalbetrieb. Die Kantone handhaben das jeweils anders.

Die Befürchtungen waren gross, doch das Schreckensszenario mit vielen Corona-Infizierten in den Gefängnissen ist bislang nicht eingetroffen. Gemäss aktuellen Zahlen gibt es bislang fünf positiv getestete Insassen sowie 39 Betroffene beim Personal. Das gibt die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) bekannt.

Nun macht sich auch der Strafvollzug daran, die im März getroffenen Massnahmen zu lockern – Besuchsverbote werden aufgehoben, Urlaube wieder ermöglicht. Doch die Kantone handhaben das unterschiedlich.

Aargau macht langsamer vorwärts

«Wir mussten das Gewerbe schliessen, Freizeit- und Bildungsangebote absagen und Besuchsverbote aussprechen», sagt Marcel Ruf, Direktor der Justizvollzugsanstalt Lenzburg im Kanton Aargau. «Schwieriger ist jetzt aber, wieder einen Normalbetrieb auf die Beine zu stellen. Das ist fast noch herausfordernder als der Lockdown.»

Nun fährt die Anstalt die Gewerbebetriebe wieder hoch. Das Besuchsverbot wird frühestens Ende Mai aufgehoben. «Für uns ist entscheidend, dass wir verhindern, dass das Virus in die Anstalt eindringt. Darum machen wir langsame Schritte», so Ruf.

In Bern sind Besuche bereits möglich

Im Kanton Bern gibt es bereits seit dem 11. Mai Lockerungen. Grundsätzlich sind Besuche im geschlossenen Vollzug wieder möglich, aber die Abstandsregeln müssen eingehalten werden. Soll heissen: Keine Berührungen, Gespräche finden durch eine Plexiglasscheibe statt.

«Die Eingewiesenen bekommen mit, wie draussen Massnahmen gelockert werden», sagt Olivier Aebischer, Mediensprecher beim Amt für Justizvollzug. «Obwohl auch wir die Massnahmen im Einklang mit Bund und Kanton schrittweise lockern, fällt es ihnen schwerer, weiterhin Verständnis aufzubringen, wenn das in den Vollzugseinrichtungen nicht so schnell geht.»

Besuche mit Trennscheibe

In der Luzerner Justizvollzugsanstalt Grosshof waren Besuche auch während der Coronakrise möglich – aber nur in Besuchszimmern mit Trennscheibe. Im Wauwilermoos wurden sämtliche Privatbesuche gestrichen, mittlerweile sind Besuche eingeschränkt wieder möglich. «Falls es die epidemiologische Situation oder die Sicherheit und Ordnung in den Vollzugseinrichtungen aber erfordern, müssen gewährte Lockerungen rückgängig gemacht werden», sagt Gino Lohri, stellvertretender Leiter Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug.

Ab Mitte Mai können in allen Zürcher Vollzugseinrichtungen und Gefängnissen wieder Besuche von Angehörigen hinter Trennscheibe empfangen werden. Urlaube und Ausgänge können sodann ab 8. Juni 2020 wieder bezogen werden.

Kantone entscheiden «verantwortungsbewusst»

Der Strafvollzug auf dem Weg zurück zur Normalität – eine Gratwanderung. Wäre nicht eine einheitliche Regelung für die Lockerungen sinnvoll? «Wir haben ein gutes Konzept, auch innerhalb des Strafvollzugskonkordats», sagt Urs Hofmann, Justizdirektor des Kantons Aargau und KKJPD-Präsident. «Wir haben auch aufgezeigt, dass je nach Infrastruktur in den einzelnen Anstalten oder Kantonen entschieden werden muss. Ich nehme wahr, dass die Kantone das sehr verantwortungsbewusst machen und ich bin zuversichtlich, dass die Lockerungsschritte gut über die Bühne gehen.»

Schweiz Aktuell, 14.5.2020, 19:00 Uhr

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