Zum Inhalt springen

Corona macht erfinderisch Zürcher eröffnet erstes Sauerteig-Hotel der Schweiz

Sauerteig ist im Trend, benötigt aber viel Pflege. Der Bäcker Martin Mayer betreut ihn für Leute, die Ferien machen.

Auf seine Idee kam der Zürcher Bäcker Martin Mayer wegen Corona: Während des Shutdowns im Frühling erlebte das Backen von Brot Aufschwung. Speziell der Sauerteig ohne Hefe entwickelte sich, Covid-19 sei Dank, zum regelrechten Hype.

Corona-Trend: Selber Brot backen

Box aufklappen Box zuklappen

Verschiedene Seiten bestätigen das Interesse der Schweizerinnen und Schweizer während des Shutdowns am Backen von Brot:

  • «Bei uns hat die Nachfrage nach Informationen – insbesondere nach Back-Rezepten – stark zugenommen», sagt etwa Stephan Scheuner, Geschäftsführer des Vereins Schweizer Brot. Auch im Detailhandel sei die Nachfrage nach Mehl stark angestiegen. Bezüglich Sauerteig habe der Verein keine Untersuchungen, die einen Anstieg belegen würden.
  • Den Sauerteig-Trend bestätigt Urs Röthlin, Leiter Bäckerei und Feinbäckerei der Fachhochschule Richemont. Vermehrt hätten sich während des Shutdowns Leute bei der Fachhochschule und bei ihm privat mit Fragen zum Thema Sauerteig-Backen gemeldet. Laut Röthlin gibt es bereits seit längerem weltweit eine Sauerteig-Welle. «Die Schweiz ist diesbezüglich langsamer unterwegs. Mit der Corona-Welle gab es mehr Tempo», so Röthlin.

«Gerade in dieser Corona-Zeit gibt es viele neue Hobbybäcker und -bäckerinnen, die eine Leidenschaft zu Sauerteig entwickelt haben», sagt Mayer, Bäcker aus Uster und Erfinder des Sauerteig-Hotels. Diese Personen wolle er unterstützen, wenn sie in die Ferien fahren. Denn wie eine Katze oder ein Hund braucht der Sauerteig viel Pflege und muss regelmässig gefüttert werden.

Das Prinzip: Die Kunden können ihren Sauerteig in Mayers Bäckerei Vuaillat einchecken. Bei der Ankunft geht Mayer auf die Gäste ein. Er fragt, wie häufig jemand seinen Teig mit Wasser und Mehl anreichert oder wie das Mischverhältnis aussieht. «Ist Weizen oder Dinkel drin?», erkundigt sich der 41-Jährige nach dem Mehl. Dieses sollen die Kundinnen und Kunden beim Einchecken mitbringen.

Mehr als «nur» ein Teig

Nicht alle Sauerteige vor Ort stammen von Feriengästen. Manche bringen ihren Teig auch, damit Mayer und sein Team ihn wieder in Schwung bringt. Das Hotel wird dann eher zur Klinik. Sauerteige in der Krise machen in Uster einen Wellness-Aufenthalt.

Sauerteig – bitte was?

Box aufklappen Box zuklappen

Nein, Sauerteig ist keine Erfindung der modernen Bäckerszene. Schon seit Jahrtausenden wird mit diesem natürlichen Triebmittel Brot gebacken. Dazu ist keine industrielle Hefe nötig. Vielmehr ist der Sauerteig ein Organismus aus Milchsäurebakterien und Hefepilzen, die das Brot länger haltbar machen.

Für einen Sauerteig braucht es Wasser und Mehl, optional Salz. So lässt sich eine «Starterkultur» züchten. Später kann man daraus immer wieder weitere Sauerteige gewinnen. Achtung: Die Kultur muss regelmässig mit Mehl und Wasser aufgefrischt werden. Wie eine Katze oder ein Hund benötigen die Bakterien im Sauerteig Nahrung. Im Fachjargon heisst dieser Vorgang «füttern».

Doch könnte der Hobbybäcker seinen Sauerteig nicht auch bei Freundinnen oder Kollegen zwischenlagern? Den Teig wegwerfen und nach den Ferien einen neuen züchten? Schliesslich handelt es sich dabei nur um einen Teig, denkt sich womöglich der Nicht-Bäcker. Für Aussenstehende sei es vielleicht schwierig nachvollziehbar, sagt Mayer. «Doch es ist gerade nicht einfach ein Teig. Der Sauerteig ist ein lebendiger Organismus».

Es ist ein Liebhaber-Ding
Autor: Martin Mayer Inhaber der Bäckerei Vuaillat und Gründer des Sauerteig-Hotels

«Wenn man die Leidenschaft dafür entwickelt, über Wochen und Monate viel Zeit investiert, wächst der Teig einem ans Herz», so Mayer. Es sei vergleichbar mit einem Baby, das man bestmöglich hegen und pflegen möchte. Je älter eine Starterkultur sei – der Mutterteig, aus dem später weitere Sauerteige entstehen – umso mehr Geschmacksstoffe könne sie entwickeln. Laut Mayer haben gewisse Bäckereien Kulturen, die über neunzig Jahre alt sind.

Fast fünfzig Franken kostet eine Woche im Sauerteig-Hotel. «Es ist ein Liebhaber-Ding», sagt Mayer. Er begründet den Preis unter anderem mit dem Aufwand. Ein gelerntes Team von Bäckerinnen und Bäckern kümmert sich um die Kulturen und füttert sie regelmässig.

Momentan pflegen sie drei bis vier Sauerteige wöchentlich. Wie richtige Hotels spürt auch der Inhaber des Mini-Hotels die Corona-Krise. Ausgerechnet Covid-19, welches die Idee ins Rollen gebracht hat, bremst. «Wir klagen momentan auch ein bisschen, was die Auslastung anbelangt», sagt Mayer. Dies liege auch an den Reisebeschränkungen. «Die Leute sind angewiesen, zu Hause zu bleiben. Und so können sie auch selbst zu ihren Kulturen schauen.» Mayer hofft, dass nach Corona-Zeiten umso mehr Leute in die Ferien schwärmen. Ohne Sauerteig im Gepäck.

SRF Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 19.11.20, 12:03 Uhr/17.30 Uhr

Meistgelesene Artikel