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Coronakrise SVP und «Diktator Berset»: Geht die Strategie auf, Herr Hermann?

Die SVP nennt den Lockerungsplan des Bundesrates eine «schädliche und mutlose Berset-Strategie». Zuvor schrieb die Partei in einem Communiqué: «Es reicht, Herr Bundesrat Berset.» Und Alt-Bundesrat Christoph Blocher bezeichnete Berset gar als «Diktator». Wieso ist ausgerechnet Bundesrat Alain Berset zum Lieblingsfeind der SVP mutiert? Politgeograf Michael Hermann klärt auf.

Michael Hermann

Politologe

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Michael Hermann ist Politikgeograf und -wissenschaftler. Zudem leitet er das Forschungsinstitut Sotomo.

SRF News: Was will die SVP mit den Angriffen gegen Bundesrat Berset erreichen?

Michael Hermann: Die SVP drängt in der Coronakrise auf Öffnung. Sie vertritt die Interessen der betroffenen Wirte und Gewerbler. Das ist eine gute Strategie und unterscheidet sich von den Ideen der anderen Parteien. Es ist wichtig, dass das Unbehagen im Land von der SVP programmatisch aufgenommen wird.

Die Angriffe auf die Person Alain Berset sind reines Polit-Marketing.

Aber die Angriffe auf die Person Alain Berset sind reines Polit-Marketing. Eigentlich kritisiert die SVP die Corona-Politik der Linken. Und Berset als SP-Bundesrat und Gesundheitsminister muss jetzt als Buhmann herhalten. Doch der Schuss geht nach hinten los.

Wieso?

Die Angriffe der SVP hätten einen Keil zwischen die Bundesräte treiben sollen. Doch jetzt ist genau das Gegenteil passiert. Die SVP-Parteispitze machte die Rechnung ohne ihre eigenen Bundesräte. Ueli Maurer und Guy Parmelin sahen sich genötigt, Alain Berset zu verteidigen und als Bundesrat zusammenzustehen. Die Kommunikation der SVP-Spitze lief ins Leere, weil die eigenen Bundesräte die Idee untergruben.

Waren die Angriffe also kontraproduktiv?

Mit den Attacken gegen Berset degradiert die SVP ihre eigenen Bundesräte indirekt zu Nebenfiguren. Maurer zeigte sich in der Vergangenheit mehrfach kritisch gegenüber Corona-Massnahmen. Doch nun muss er sich hinter Amtskollege Berset stellen, und dies, obwohl man weiss, dass die beiden Magistraten in einem Konkurrenzverhältnis leben.

In einer Krise gegen eine Führungsperson wie Alain Berset zu schiessen, kommt bei vielen Menschen im Land nicht gut an – selbst, wenn sie SVP wählen.

Gerade in einer Krise gegen eine Führungsperson wie Alain Berset zu schiessen, kommt bei vielen Menschen im Land nicht gut an – selbst, wenn sie SVP wählen. Die Bevölkerung will in der Coronakrise eine starke Rolle des Bundesrates. Und Berset wird am meisten Macht zugeschrieben, wie die Sotomo-Umfragen zeigen.

Es ist klar, dass der Bundesrat Entscheide nur im Gesamtgremium fällt – zudem sind von sieben Bundesräten fünf bürgerlich. Wieso kritisiert die SVP-Parteispitze nur Berset?

Die SVP-Parteispitze unterschätzt die Kenntnisse der Bevölkerung von unserem politischen System. Natürlich gibt es einen gewissen Groll gegen Berset, weil er als Gesundheitsminister während der Coronakrise primär den Gesundheitsschutz vertritt. Aber die Bevölkerung und auch die SVP-Wählenden wissen genau, dass es im Bundesrat immer eine Mehrheit braucht, um Ideen durchzusetzen – und Alain Berset allein wenig bewirken kann.

Ist die Coronakrise überhaupt geeignet, um wirkungsvolle Parteipolitik zu machen?

Die Links-Rechts-Trennlinien verlaufen weniger scharf als beispielsweise in der Ausländer- oder der EU-Politik. Es gibt Menschen, die konservativ sind und rechts wählen, aber den Gesundheitsschutz stärker gewichten als die Wirtschaftsinteressen. Corona taugt zu wenig als ideologisches Thema. Aber klar, die SVP-Basis ist in den vergangenen zwölf Monaten gegenüber Corona-Massnahmen viel skeptischer geworden. Trotzdem wage ich zu bezweifeln, dass die SVP mit dieser Anti-Berset-Kampagne neue Wähler hinzugewinnen wird.

Das Gespräch führte Benedikt Widmer.

SRF 4 News, 17.2.2021, 15:00 Uhr ; 

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