Neuansteckungen, fehlende Spitalbetten, Verstorbene: Covid-19 kommt häufig in Form von Statistiken und Kurven daher. Ein Augenschein im Kantonsspital Aarau zeigt das tatsächliche Ausmass der Krise. Denn hinter den Zahlen steht Personal, das überlastet ist.
Pflegerinnen, die in normalen Zeiten auf der Unfallchirurgie mit Knochenbrüchen und Unfällen zu tun haben, müssen nun mit belastenden Situationen auf der Covid-Station in Aarau zurechtkommen. Sie berichten von erschöpften Patienten, trauernden Angehörigen und dem Weihnachtsfest, das ausfällt.
Diese Patienten sind in einem sehr schlechten Allgemeinzustand.
In der Covid-Abteilung 181 im Kantonsspital Aarau werden Verdachtsfälle abgeklärt und auch Covid-Fälle betreut. Eine sehr schwierige Aufgabe, erklärt Stationsleiterin Rahel Frey, weil die Pflege sehr aufwändig ist: «Diese Patienten sind in einem sehr schlechten Allgemeinzustand. Es geht ihnen so schlecht, dass wir Ihnen das Essen eingeben müssen». So ist der Personalaufwand sehr gross. Mindestens fünf Pflegepersonen seien in einem Viererzimmer tätig.
Unberechenbare Krankheit
Auch die psychische Belastung durch die Arbeit auf der Covid-Station in Aarau ist gross. Wie Stationsleiterin Rahel Frey erklärt, könne man bei Covid-19 einfach vieles nicht vorhersehen: «Man geht manchmal davon aus, dass die Patienten bald nach Hause können. Wenn man einen Tag später wiederkommt, liegen sie im Sterben.»
Wir sind in einer Notsituation! Das ist aber noch nicht in allen Köpfen angekommen.
Nun muss sie sich die Frage stellen, wann sie die Angehörigen – trotz Besuchsverbot– ruft, damit sich diese von sterbenden Covid-Patienten verabschieden können: «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wir mit Angehörigen ins Zimmer kamen und der Patient schon verstorben war. Das sind sehr belastende Momente. Wir sind in einer Notsituation! Das ist aber noch nicht in allen Köpfen angekommen.»
Von solchen Situationen hinter den Spitalmauern bekommt die Öffentlichkeit nicht viel mit. Belastend ist dabei für die Pflegenden auch, dass Covid-Kritiker lautstark behaupten, dass die Spitäler gar kein Problem hätten. Dem ist nicht so, sagt Pflegefachfrau Sara Häusermann.
Chefarzt warnt vor möglicher Triage
Auch für den Chefarzt der Infektiologie am Kantonspital Aarau, Christoph Fux, ist klar: Die Situation sei dramatisch. «Wir haben keine Reserven mehr. Wir können alle Covid-Patienten im Moment noch aufnehmen. Aber wenn es zunimmt, wird es kritisch». Wenn es so weitergehe, müsse man überlegen ob man eine Triage einführe und schaue, wer die besten Überlebenschancen habe. Das gilt es jedoch in jedem Fall zu verhindern, erklärt Fux.
Ich will mit meinen Eltern noch mehrere Weihnachten feiern.
Deshalb soll die Infektionszahl nun möglichst schnell gesenkt werden, damit auch die Patientenzahl sinkt. Stationsleiterin Rahel Frey tut dies, indem sie an Heiligabend nicht mit anderen feiert, sondern sich um die Kranken im Spital kümmert.
Auch Pflegefachfrau Sara Häusermann wird sich privat einschränken. Das Weihnachtsessen mit ihren Eltern hat sie abgesagt. Sie wolle mit ihren Eltern noch mehrere Weihnachten feiern und möchte nicht, dass dies das letzte gemeinsame Weihnachten wird.