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Crux mit der Zweiten Säule Ausgerechnet die Kleinen verlieren bei der BVG-Reform

Eine Studie des Bundes zeigt das Dilemma: Geringverdienende müssen am stärksten beissen, um später etwas mehr zu bekommen.

Die Serviceangestellte im Restaurant und die Verkäuferin an der Tankstelle im Teilzeitpensum haben oft tiefe Renten. Denn wer wenig verdient, zahlt auch wenig in die Pensionskasse ein. Da setzt der Bundesrat bei seiner Reform der beruflichen Vorsorge an.

Ziel der Reform sei auch eine Modernisierung der Zweiten Säule, um die Lage der Teilzeitarbeitenden und kleinen Einkommen zu verbessern. Das betreffe vor allem die Frauen, sagte Bundesrat Alain Berset kürzlich.

Stellen und Löhne unter der Lupe

Ein weniger vorteilhaftes Bild malt nun eine Studie im Auftrag des Bundes, die die Folgen der Reform auf die Anzahl Stellen und die Höhe der Löhne analysiert. Sie kommt zum Schluss, dass die Reform «überdurchschnittliche Beschäftigungseinbussen bei jungen Versicherten, Versicherten mit tiefen Erwerbseinkommen, Frauen und Teilzeitbeschäftigen» bringt.

Just jene, die besonders von der Reform profitieren sollen, zahlen also einen bedeutenden Teil der Zeche. Wie kann das sein? Die Reform setzt vereinfacht gesagt auf höhere Lohnabzüge. Den Beschäftigten wird also mehr vom Lohn abgezwackt, auch Arbeitgeber legen etwas drauf.

Weniger für später mehr

CVP-Ständerat Erich Ettlin, ein Gegner der Reformvariante, sagt: «Wenn man Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge erhöht, dann trifft es vor allem die Tieflöhner.»

Angestellte mit tieferen Einkommen sparten zwar mehr für ihre Rente an, hätten aber weniger Lohn am Monatsende. Da lohne sich zum Teil für die Beschäftigten die Arbeit nicht mehr, sagt Reformgegner Kurt Gfeller vom Gewerbeverband. Es sei besser für sie, auf die Sozialhilfe zurückzugreifen: «Zudem müssen Stellen abgebaut werden, weil die Arbeitskraft zu teuer wird.»

3300 Vollzeitstellen bedroht

3300 Vollzeitstellen gehen so laut Studie verloren. Das ist wenig bei insgesamt über vier Millionen Vollzeitstellen. Ettlin widerspricht: «Das ist jetzt ein bisschen zynisch. Jede Stelle tut weh.»

Natürlich müsse man auch diese Folgen der Reform im Blick haben, sagt Lukas Müller-Brunner vom Arbeitgeberverband. Die Studie beleuchte nur die Auswirkungen auf Beschäftigung und Löhne.

Nicht aber, dass die Reform teilweise höhere Renten bringe. Gerade mit der BVG-Reform 21 würden häufig Tieflöhner und Teilzeitbeschäftigte unterstützt: «Da ist es nur logisch, dass bei höheren Kosten auch die Angestellten dieser Stufe die Last mittragen müssen.»

Bis zu 200 Franken mehr Rente

Eine Last heute, für die dafür später eine höhere Rente winke, betont Müller-Brunner. Denn die Reform sieht einen Rentenzuschlag bis zu 200 Franken pro Monat für alle vor. Das fällt für Geringverdienende stärker ins Gewicht. Finanziert wird das durch einen Lohnabzug von einem halben Prozent.

Mit ausgehandelt hat den Reformvorschlag neben den Arbeitgebern auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund. Auch SGB-Chefökonom Daniel Lampart streicht den Rentenzuschlag von bis zu 200 Franken heraus: Dieser bringe eine Umverteilung von hohen zu tiefen Einkommen.

SGB: 500 Millionen werden umverteilt

Menschen mit bescheidenen Einkommen könnten so je nachdem künftig gar höhere Renten haben, ohne dass sie heute mehr bezahlen müssten, so Lampart: «Ungefähr 500 Millionen von den hohen Einkommen werden an die Geringverdienenden übertragen. Da gibt es heute nicht.»

Bessere Renten für Menschen mit tiefen Einkommen haben ihren Preis. Jetzt kann das Parlament gewichten, was wie wichtig ist.

Echo der Zeit, 09.12.2020, 18:00 Uhr

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