Alain Berset hat die Strategie für die nächsten Monate vorgestellt. Dabei wurde auch bekannt, dass es für nicht geimpfte Personen zu grösseren Einschränkungen kommen könnte, als für geimpfte. Doch für den Bundesrat ist klar: Eine versteckte Impfpflicht sei das nicht.
SRF News: Herr Bundesrat, haben Sie gut geschlafen die letzten Tage?
Alain Berset: Ja. Wieso?
Sie haben letzte Woche gesagt, wenn sich die Leute bei den Lockerungen ab Montag nicht an die Regeln halten, dann gäbe es eine Katastrophe.
Ich habe gut geschlafen. Und ich weiss auch, dass die Menschen in der Schweiz in den letzten 14 Monaten sehr gut mitgemacht haben. Das ist sehr wichtig, weil es uns erlaubt, trotz steigenden Zahlen gewisse Öffnungen zu machen – im Wissen, dass die Leute mit viel Eigenverantwortung handeln.
Die wissenschaftliche Taskforce hat gestern ziemlich erschreckende Szenarien präsentiert; es könnte bis zu 10'000 Fälle pro Tag geben, trotz intensiver Impfkampagne.
Die Situation ist tatsächlich sehr fragil. Wir können jetzt nicht einfach sagen: Die Terrassen sind offen, jetzt nehmen wir es locker. Wichtig ist, eine gute Mischung zwischen Öffnungsschritten und Aufpassen zu finden. Die Taskforce hat einmal mehr gezeigt: Die Situation bleibt fragil.
Sie haben heute das Drei-Phasen-Modell vorgestellt. Ab August sollten wir in die Normalisierungsphase kommen. Dann gibt es keine Einschränkungen mehr, dann sollte normales Leben herrschen, richtig?
Ja, das Ziel ist, dass wir all die Restriktionen aufheben können. Vielleicht bleiben gewisse Empfehlungen wie in gewissen Situationen eine Maske zu tragen. Aber wir müssen, gerade jetzt, sehr vorsichtig bleiben. Denn wenn wir jetzt die Kontrolle verlieren, dann verlängert sich die Krise.
Das alles funktioniert nur, wenn die Impfungen funktionieren. Es gab verschiedene Lieferengpässe, viele Leute bezweifeln, dass das Impfziel eingehalten werden kann. Intervenieren Sie eigentlich, wenn wieder eine solche Lieferverzögerung passiert?
Aber natürlich. Ich bin mit dem Bundesamt für Gesundheit seit 14 Monaten in ständigem Kontakt. Und natürlich haben wir auch sehr enge Kontakte mit den Herstellern. Um konkret zu sein: Ich hatte gestern ein Gespräch mit den Herstellern, ich habe heute ein Gespräch, und morgen werde ich wieder ein Gespräch haben.
Unser einziges Ziel ist, die Wahlmöglichkeit zu geben.
Und da mahnen Sie dann auch die fehlenden Lieferungen an?
Klar, und die Verträge müssen ja auch respektiert werden, was bis jetzt immer der Fall war, trotz kleinen Verschiebungen. Eine Krise bekämpfen heisst immer auch, mit Knappheit umzugehen. Jetzt ist es die Knappheit bei den Impfstoffen. Aber es bleibt dabei: Wir sind sehr gut aufgestellt mit den besten Impfstoffen, die es gibt, und mit grossen Mengen, die jetzt im Mai und Juni kommen werden.
Wenn es ab August keine Beschränkungen geben wird und es trotzdem wieder zu einer schwierigen epidemiologischen Lage kommen würde, dann könnte es auch wieder Maskentragpflicht, Abstandsregeln und andere Einschränkungen geben, aber nur für Menschen, die nicht geimpft sind. Viele sagen jetzt, das sei eigentlich eine versteckte Impfpflicht!
Das ist falsch. Unser einziges Ziel ist, die Wahlmöglichkeit zu geben: Wer sich impfen lassen will, muss einen Zugang zur Impfung haben. Wer ein Covid-Zertifikat haben will, muss einen Zugang dazu haben. Wer das nicht will, der muss vielleicht in bestimmten Situationen einen Test nachweisen. Aber schauen Sie: Wer heute in ein Flugzeug steigen will, braucht einen Test. Wer nach Deutschland oder Frankreich reisen will, muss einen Test machen. Das funktioniert ja jetzt schon. Und hoffentlich brauchen wir das dann irgendwann mal gar nicht mehr.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.