Der Protokollchef des Vatikans und die Genfer Polizei werden sich gefreut haben: Papst Franziskus hat sich brav an den Ablaufplan gehalten. Kein spontaner Zwischenfall. Kein Abweichen vom Protokoll. Keine Überraschungen.
So gesehen war der Papst-Besuch fast ein bisschen langweilig. Doch die Ökumene ist wie ein Verwandtschaftstreffen: Es ist wichtig, dass man sich sieht und miteinander redet. Auch wenn man sich gut kennt und weiss, dass sich die Grosstante nicht mehr ändern wird.
Oder vielleicht doch? Auch wenn Franziskus keine Überraschungen im Gepäck hatte, zeigte er sich als entschiedener Kämpfer für die Ökumene. Die ist für ihn keine Optimierungs-Strategie, um dem Christentum mehr Gewicht zu verleihen.
Papst spricht salbungsvoll, keinen Klartext
Die Ökumene ist für den Papst auch keine Altlast aus der Kirchengeschichte. Sondern ein Auftrag des Evangeliums. «Möge der Glaube uns Orientierung geben, denn in Jesus sind die Mauern der Trennung bereits besiegt und alle Feindseligkeiten überwunden», sagte Franziskus.
Erfrischenden Klartext war vom Papst nicht zu hören. Er gab eher salbungsvoll den Brückenbauer. Klare Ansagen übernahmen dafür andere. Von einem römischen und einem schweizerischen Zungenschlag war die Rede.
Die Rolle des gesetzestreuen Römers übernahm der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch. Auf die Kritik von Genfer Protestanten, der Papst predige Ökumene, feiere aber eine un-ökumenische, sehr römisch-katholische Messe, entgegnete der frühere Bischof von Basel: «Wenn der Heilige Vater in ein Land kommt und die Katholiken nicht treffen kann, dann dient das nicht der Ökumene.» Eine klare Ansage, wonach Ökumene nicht heisse, von eigenen Ansprüchen zurückzuweichen.
Das Verbindende betonen
Die Rolle des diplomatischen Schweizers übernahm der Weihbischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Alain de Raemy. Beim ersten Papst-Besuch von Johannes Paul II. war Alain de Raemy ein junger Mann. Heute ist der 59-Jährige der Zeremonienmeister, erklärt den 41'000 Gläubigen, wie sie sich zu verhalten haben, und sorgt für eine gute Stimmung in den stickigen Palexpo-Hallen.
Statt das Trennende zu betonen, verwies Alain de Raemy auf das Verbindende: «Wir feiern Eucharistie. Wir teilen das Staunen der verzweifelten Jünger in Emmaus. Wir heissen alle unsere christlichen Brüder und Schwestern herzlich willkommen.» Kein Wort davon, dass nur Katholiken zur Eucharistiefeier eingeladen sind. Kein Hinweis darauf, dass der Abendmahl-Streit nach wie vor ungelöst ist.
Lehramt hinkt dem Leben hinterher
Insofern war der Papst-Besuch ein ehrliches Treffen und keine Show. Der Tag zeigte, dass vor Ort an der Basis Ökumene längst unkompliziert funktioniert. Mögen sich Theologen über das Abendmahl streiten – zur Papst-Messe waren Protestanten ausdrücklich eingeladen. Und niemand der Priester kontrollierte, wer zur Kommunion ging.
Die indirekte Botschaft, die im Franziskus-Besuch mitschwang, lautete daher: Wartet nicht auf Rom. Macht einfach. Auch der Papst-Besuch zeigte, wie einfach gelebte Ökumene geht. Auf dem Rückflug sollte sich Franziskus aber überlegen, warum das Lehramt dem Leben mal wieder so weit hinterherhinkt.