Nicht nur die Asylzahlen sind so tief wie seit sieben Jahren nicht mehr. Es wollen neuerdings auch weniger Migranten in die Schweiz einreisen oder durch das Land reisen. Im Juni 2017 haben die Grenzwächter im Tessin noch halb so viele Migranten gestoppt wie im Juni vor einem Jahr.
Die Behörden führen diese Entwicklung gerne auf eigene Massnahmen zurück. Beispielsweise auf abschreckend schnelle Verfahren für Menschen mit wenig Chance auf Asyl.
Diaspora hat grossen Einfluss
Migrationsexperte Christopher Hein aber sieht andere gewichtige Gründe für den Rückgang. Hein ist Dozent für Migrationspolitik in Rom. Er leitete lange Jahre den italienischen Flüchtlingsrat. Er sagt, die Migration übers Mittelmeer habe sich verändert.
Die überwiegende Zahl kommt aus westafrikanischen Ländern oder aus Bangladesch. Sie haben wenige Beziehungen in anderen europäischen Ländern und stellen deshalb hier in Italien einen Asylantrag.
Bis vor kurzem seien zum Beispiel viele Eritreer gekommen – Menschen also, die Beziehungen in die Schweiz oder nach Deutschland hätten. Heute sei das anders: «Die überwiegende Zahl kommt aus westafrikanischen Ländern oder aus Bangladesch. Sie haben wenige Beziehungen in anderen europäischen Ländern und stellen deshalb hier in Italien einen Asylantrag», sagt Hein.
Viele Gastarbeiter aus Drittstaaten
Die Zunahme der Asylanträge von Bangladeschern in Italien geht zum grossen Teil auf Menschen zurück, die bereits ausserhalb ihres Heimatlandes arbeiteten. Und zwar als Gastarbeiter in Libyen oder in den Golfstaaten. Dies sagt Sarat Dash von der Internationalen Organisation für Migration. Viele Gastarbeiter zögen weiter, weil der Bausektor im Golf unter dem tiefen Ölpreis leide oder die Sicherheitslage in Libyen immer prekärer werde: «Die Menschen ziehen dorthin, wo es bereits Bangladescher gibt, nach Italien zum Beispiel.» |
Entlastung für die Schweiz, Belastung für Italien
Zudem registriere Italien inzwischen fast alle Migranten, die übers Mittelmeer kämen. Das mache eine Weiterreise in die Schweiz, nach Deutschland oder Schweden unattraktiver, weil dort die Rückschaffung nach Italien drohe.
Mittlerweile stellen etwa Dreiviertel von allen, die übers Meer ankommen, in Italien einen Asylantrag.
Immer mehr Migranten würden deshalb bleiben statt weiterreisen. «Mittlerweile stellen etwa Dreiviertel von allen, die übers Meer ankommen, in Italien einen Asylantrag», so Hein. Vor drei Jahren sei es erst etwa ein Drittel gewesen.
Die neue Entwicklung entlastet die Schweizer Behörden. Die rekordhohe und dramatisch gefährliche Migration übers Mittelmeer führt hierzulande nicht zu höheren Migrationszahlen. Die Belastung für Italien hingegen steigt weiter.
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