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Die braune Gefahr «Die Schweiz ist keine Insel»

Rechtsextremismus? Kein Problem hierzulande, so die Selbstwahrnehmung. Ein Experte plädiert dafür, genauer hinzusehen.

Rund 350 gewaltbereite Rechtsextreme gibt gemäss einer Schätzung des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) in der Schweiz. Es ist jedoch mit einer grossen Dunkelziffer zu rechnen. Denn: Verlässliche Zahlen über ideologische Sympathisanten ohne Gewaltbereitschaft gibt es keine.

Kein Land des Rechtsextremismus

Überhaupt weiss man verhältnismässig wenig über die rechtsextreme Szene in der Schweiz. Die Schweiz tue sich nach wie vor schwer, genau hinzuschauen, sagt Damir Skenderovic, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg. Denn in ihrem Selbstverständnis sei die Schweiz kein Land des Rechtsextremismus.

Porträt von Damir Skenderovic.
Legende: Damir Skenderovic befasst sich seit Jahren mit der rechtsextremen Szene in der Schweiz. ZVG / Unifr.ch
Es gibt eine Art globale Ideologie. Die Schweiz ist keine Insel in Bezug auf den Rechtsextremismus.
Autor: Damir Skenderovic Professor für Zeitgeschichte, Universität Freiburg

Dies habe einerseits historische Gründe, da sich in der Schweiz nie ein faschistisches Regime etablieren konnte, führt der Historiker aus. Andererseits gehöre der Extremismus – wie es Autoren in den Sechzigerjahren schon formuliert haben – nicht «zum Naturell des Schweizers oder der Schweizerin».

Keine ausgefeilten Strukturen in der Schweiz

«Das führt dazu, dass die extreme Rechte sozusagen exterritorialisiert wird. Es ist also ein Problem in Frankreich, Deutschland und Österreich, aber nicht in der Schweiz», fasst Skenderovic zusammen. Doch Rechtsextremismus mache nicht an den Landesgrenzen Halt, erst recht nicht seit dem Aufkommen des Internets und der sozialen Medien.

«Es gibt eine Art globale Ideologie. Die Schweiz ist keine Insel in Bezug auf den Rechtsextremismus.» Und doch unterscheide sich die Schweiz von anderen Ländern. «Auf der organisatorischen Ebene sind die Strukturen nicht so fest verankert.»

Das hängt auch damit zusammen, dass sich die rechtsextreme Szene heutzutage relativ bedeckt hält. Im NDB-Lagebericht wird von einer «Zurückhaltung, die seit Jahren festzustellen ist», geschrieben. Von einer Szene, die in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar sei. Das war nicht immer so, sagt Historiker Skenderovic.

Kleiner Frontenfrühling in der Schweiz

«Sie bekamen in den 1980er-Jahren und anfangs der 1990er-Jahre im sogenannten kleinen Frontenfrühling in der Schweiz grosse Aufmerksamkeit, weil man eben auch im Vergleich zu anderen Ländern sah, es gibt einen Rechtsextremismus in der Schweiz.»

Spätestens als gut hundert Rechtsradikale die 1. August-Rede des damaligen Bundesrates Kaspar Villiger auf der Rütliwiese störten, wurde die Szene vor knapp 20 Jahren einer breiteren Öffentlichkeit bewusst.

Die Folge waren breit angelegte Untersuchungen. Das damalige Resultat einer Befragung von 2000 Schülern zwischen 16 und 20 Jahren zeigte: Zehn Prozent sagten, dass sie entweder rechtsextremem Gedankengut oder mit rechtsextremen Gruppierungen sympathisieren. «Das heisst, dieses Potenzial war damals vorhanden. Was aus diesem Potenzial geworden ist, wissen wir nicht», sagt der Historiker.

Verbale Gewalt fällt nicht unter Gewalt-Extremismus

Rechtsradikale fallen in der Schweizer Sicherheitspolitik unter die Kategorie Gewalt-Extremisten. Das Problem: Längst nicht alle ideologischen Sympathisanten sind automatisch gewaltbereit und verbale Gewalt wird nicht in den Berichten der Sicherheitsbehörden aufgeführt.

Gewisse rechtsextreme Sympathisanten könnten deshalb relativ ungestört internationale Treffen in der Schweiz veranstalten und sich mit dem Ausland vernetzen, sagt der Historiker. Skenderovic würde es nicht erstaunen, wenn Rechtsradikale in Zukunft ähnlich wie im Ausland wieder mehr von sich reden machten. Er plädiert dafür, auch in der Schweiz genauer hinzuschauen.

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